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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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hervorragende Soldaten, und sie haben Caesar.«
    »Wir haben dich, Vercingetorix«, sagte Cathbad mit sanfter Stimme. »Und wir sind in der Überzahl.« Er drehte sich zu den schweigenden Häuptlingen um und ließ die Maske aus Schüchternheit und Demut fallen, hinter der er sich bisher verborgen hatte. Schlagartig verwandelte er sich in das Oberhaupt der Druiden — eine Quelle des Wissens, einen bedeutenden Sänger und Dichter, den Vermittler zwischen den Galliern und ihren Göttern, den Tuatha, das Haupt einer riesigen Bruderschaft, mächtiger als jede andere Priesterschaft der Welt.
    »Wer sich zum Anführer eines großen Unternehmens erhebt, der übernimmt Verantwortung auch für den Fall des Scheiterns. In früheren Zeiten war es Sache des Königs, als derjenige vor die Götter zu treten, der sich freiwillig und im Namen des Volkes opferte, der sich persönlich der Bedürfnisse und Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen der unter seinem Schutz stehenden Männer und Frauen annahm. Ihr aber, Krieger von Gallien, verwehrt Vercingetorix noch immer die Macht, die er braucht. Ihr mißgönnt ihm den Königstitel. Ihr wollt selbst König werden, wenn er scheitert, wovon ihr ohnehin überzeugt seid, weil ihr im Grunde eures Herzens gar nicht an ein vereintes Gallien glaubt. Ihr wollt selbst die Macht — für euch und euer Volk.«
    Niemand sagte ein Wort. Gutruatus verzog sich noch tiefer in den Schatten, Biturgo schloß die Augen, und Drappes zupfte an seinem Schnurrbart.
    »Vielleicht hat es im Augenblick tatsächlich den Anschein, als wäre Vercingetorix gescheitert«, fuhr Cathbad mit eindringlicher Stimme fort, deren schmeichelnder Unterton nicht zu überhören war. »Aber wir stehen erst am Anfang und müssen noch lernen — er und wir. Begreift endlich, daß die Tuatha ihn aus dem Nichts geschaffen haben. Wer kannte ihn vor Samarobriva?« Cathbads Stimme wurde gebieterisch. »Häuptlinge Galliens, wir haben nur eine Chance, uns von den Römern, von Caesar zu befreien! Diese Chance ist jetzt gekommen. Wenn wir unterliegen, dann darf es nicht deshalb sein, weil wir uns nicht einigen konnten, weil wir uns nicht dazu durchringen konnten, einen Mann zum König zu machen. Vielleicht brauchen wir später keinen König mehr, aber jetzt brauchen wir ihn. Nicht Sterbliche, nicht einmal Druiden waren es, die Vercingetorix auserwählt haben, sondern die Tuatha selbst, und wenn ihr die Tuatha fürchtet, liebt und ehrt, dann bezeugt dem eure Ehrerbietung, den sie ausgewählt haben. Kniet nieder vor Vercingetorix, und erkennt ihn als König eines vereinigten Gallien an.«
    Nacheinander standen die großen Häuptlinge auf und beugten das linke Knie vor Vercingetorix. Die rechte Hand ausgestreckt, den rechten Fuß einen Schritt nach vorn, stand Vercingetorix vor ihnen. Seine steifen, farblosen Haare umstanden seinen Kopf wie ein Strahlenkranz, sein glattrasiertes, knochiges Gesicht leuchtete, und an seinen Armen und seinem Hals funkelten Edelsteine und Gold.
    Das Ganze dauerte nur kurz, doch danach war alles anders. Jetzt war er König Vercingetorix, König eines vereinigten Gallien.
    »Es ist Zeit, unsere Völker in Carnutum zu versammeln«, sagte er, »in dem Monat, den die Römer Sextilis nennen. Das Frühjahr wird dann fast vorüber sein, und der Sommer verspricht günstiges Wetter für einen Feldzug. Meine Boten werden den Menschen im ganzen Land klar machen, daß dies unsere einzige Chance ist, die Römer zu vertreiben. Vielleicht ist das Maß unseres Erfolges die Größe unseres Gegners. Wenn wir etwas Großes wollen, werden uns die Tuatha auch einen großen Gegner schicken. Deshalb brauchen wir uns im Fall einer Niederlage nicht zu schämen. Wir können uns damit trösten, daß unser Gegner der größte Gegner ist, dem wir je begegnen werden.«
    »Aber auch er ist ein Mensch«, sagte Cathbad fest, »und er betet zu den falschen Göttern. Die richtigen Götter sind die Tuatha. Sie sind mächtiger als die römischen Götter. Wir kämpfen für eine gerechte Sache, und deshalb werden wir siegen!«

    Als Gaius Trebonius und Titus Labienus Anfang Juni nach Avaricum kamen, ließ Caesar gerade das Lager abbauen und den Abmarsch vorbereiten. Die Römer waren in den Sümpfen auf eine große Herde von Lasttieren gestoßen, so daß sie sämtliche in Avaricum gefundenen Vorräte mitnehmen konnten.
    »Vercingetorix wird versuchen, uns hinzuhalten und einer Schlacht aus dem Weg zu gehen«, sagte Caesar. »Wir müssen ihn also zum Kampf

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