MoR 05 - Rubikon
bleibt dieser Idee treu, haltet an diesem Traum fest, bewahrt die Hoffnung, daß ein geeintes Gallien eines Tages Wirklichkeit wird! Ich werde dann nicht mehr da sein, aber behaltet mich in Erinnerung! Eines Tages wird es Gallien, mein Gallien, geben! Eines Tages wird Gallien frei sein.«
Seine Zuhörer rührten sich nicht. Vercingetorix drehte sich um und ging hinein, Daderax und Biturgo folgten ihm. Dann gingen auch die gallischen Krieger auseinander; sie würden die Worte ihres Königs im Gedächtnis behalten, um sie ihren Kindern zu wiederholen.
»Was ich jetzt noch zu sagen habe, ist nur für eure Ohren bestimmt.« Vercingetorix’ Stimme hallte laut durch den leeren Saal, in dem der Kriegsrat getagt hatte.
»Setz dich doch erst«, sagte Biturgo leise.
»Nein, nein. Hör zu, Biturgo, es könnte sein, daß Caesar dich als König eines großen Volkes gefangennimmt. Dir dagegen, Daderax, wird das wahrscheinlich nicht passieren. Ich will, daß du zu Cathbad gehst und ihm sagst, was ich heute morgen zu unseren Männern gesagt habe. Sag ihm auch, daß ich diesen Feldzug nicht um meines Ruhmes willen unternommen habe, sondern um mein Land von Fremdherrschaft zu befreien. Ich habe für die Gemeinschaft gehandelt, nicht aus Eigennutz.«
»Ich werde es ihm sagen«, versicherte Daderax.
»Und jetzt müßt ihr entscheiden. Wenn ihr meinen Tod verlangt, soll die Hinrichtung hier in Alesia stattfinden, vor unseren Männern. Andernfalls schicke ich Gesandte zu Caesar und biete ihm an, mich zu ergeben.«
»Schicke Gesandte zu Caesar«, sagte Biturgo.
»Richte Vercingetorix aus, daß alle Krieger in Alesia ihre Waffen und Kettenhemden abgeben müssen«, sagte Caesar, »und zwar morgen in aller Frühe, noch bevor König Vercingetorix sich mir ergibt. Sie müssen vor ihm herauskommen und alle Schwerter, Speere, Bogen, Pfeile, Äxte, Dolche und Keulen in unseren Graben werfen. Dann sollen sie ihre Kettenhemden ausziehen und zu den Waffen werfen. Erst dann dürfen der König und Biturgo und Daderax herunterkommen. Ich erwarte sie dort.« Er zeigte auf eine Stelle unterhalb der Zitadelle, unmittelbar an der inneren Ringmauer.
Dort ließ Caesar zwei Fuß über dem Boden ein kleines Podium errichten, auf das sein elfenbeinerner Amtsstuhl gestellt wurde. Da Rom die Kapitulation annahm, trug er als Prokonsul keine Rüstung, sondern seine purpurgesäumte Toga, die braunen Schuhe mit der halbmondförmigen Schnalle des Konsulars und den Eichenkranz, die corona civica , die ihm für persönliche Tapferkeit im Felde verliehen worden war — die einzige Auszeichnung, die Pompeius der Große nie errungen hatte. Zwischen Hand und Ellbogenbeuge hielt er als Zeichen seiner Befehlsgewalt den einfachen Elfenbeinzylinder, der genauso lang war wie sein Unterarm. Außer ihm befand sich auf dem Podium nur noch Hirtius.
Caesar saß in der klassischen Haltung da, kerzengerade aufgerichtet, mit nach hinten gestrafften Schultern und vorgerecktem Kinn, den rechten Fuß vor den linken gestellt. Seine obersten Legaten standen rechts neben dem Podium. Labienus trug einen goldverzierten, silbernen Panzer mit der scharlachroten Schärpe seines Ranges. Trebonius, Fabius, Sextius, Quintus Cicero, Sulpicius, Antistius und Rebilus hatten ihre besten Rüstungen angelegt und trugen unterm linken Arm den attischen Helm. Die Männer von niedrigerem Rang standen links vom Podium — Decimus Brutus, Marcus Antonius, Minucius Basilus, Munatius Plancus, Volcatius Tullus und Sempronius Rutilus.
Wälle und Türme waren dicht mit Legionären besetzt, die dem Schauspiel beiwohnen wollten, und zwischen Graben und Podium — Stachelstöcke und Lilien waren verschwunden — bildeten Reiter ein langes Spalier.
Wie befohlen, erschienen zuerst die überlebenden Krieger von Vercingetorix’ ehemals achtzigtausend Mann starker Armee, die seit über einem Monat in Alesia eingeschlossen gewesen waren. Nacheinander warfen sie ihre Waffen und Kettenhemden in den Graben, dann wurden sie von bewaffneten Reitern auf einem Platz abseits zusammengetrieben.
Zuletzt kam Vercingetorix von der Zitadelle herunter, gefolgt von Biturgo und Daderax. Aufrecht saß der König der Gallier auf seinem makellosen Falben. Das Zaumzeug glitzerte, und Vercingetorix hatte Arme, Hals, Brust und Mantel mit all seinem Gold und seinen Saphiren geschmückt. Gürtel und Wehrgehenk funkelten, und auf dem Haupt trug er den goldenen Helm mit den goldenen Flügeln.
Ruhig ritt er durch das Spalier der Reiter
Weitere Kostenlose Bücher