MoR 05 - Rubikon
schreibe ich Dir eigentlich, obwohl ich doch nie wirklich Dein Freund war?Nun, aus verschiedenen Gründen, und ich werde sie Dir offen nennen. Erstens habe ich die boni gründlich satt. Bisher dachte ich immer, alle, denen das mos maiorum so sehr am Herzen liegt, hätten selbst dann noch recht, wenn sie die entsetzlichsten politischen Fehler machten. Aber in den letzten Jahren habe ich sie, glaube ich, durchschaut. Sie schwafeln von Dingen, von denen sie — und das ist leider die Wahrheit — nicht das geringste verstehen, nur um ihre eigene Charakterlosigkeit und Dummheit zu verbergen. Auch wenn um sie herum Rom zusammenfallen würde, würden sie tatenlos dastehen und es einen Teil des mos maiorum nennen, wenn jemand von einer Säule erschlagen würde.
Zweitens verabscheue ich Cato undBibulus. Zwei so heuchlerische Schwätzer sind mir noch nicht begegnet. Obwohl sie nicht einmal eine Kuchenschlacht im Freudenhaus gewinnen könnten, verstehen sie es meisterhaft, Deine Bücher zu kritisieren — Du hättest das eine besser machen können, jenes schneller und das dritte geschickter. Ihr blinder Haß auf Dich ist mir ein Rätsel. Was hast Du ihnen angetan? Soviel ich weiß, nichts weiter, als sie so klein aussehen zu lassen, wie sie wirklich sind.
Drittens warst Du als Konsul sehr anständig zu Publius Clodius. Sein Untergang war seine eigene Schuld. Der Hang seiner Familie zu unorthodoxem Handeln hat sich bei Clodius zu einer Art Wahnsinn ausgewachsen. Er wußte nicht, wann er aufhören mußte. Inzwischen ist sein Tod über ein Jahr her, aber ich vermisse ihn noch immer, obwohl wir uns zum Schluß gestritten haben.
Der vierte Grund ist sehr persönlich, obwohl er mit den ersten drei Gründen zusammenhängt. Ich habe schrecklich hohe Schulden, von denen ich mich aus eigener Kraft nicht mehr befreien kann. Als mein Vater letztes Jahr starb, dachte ich, das Problem würde sich von selbst lösen. Er hinterließ mir jedoch nichts. Ich weiß nicht, wohin sein Geld verschwunden ist, sicher ist nur, daß es weg war, nachdem er von seinem Leiden erlöst wurde. Alles, was ich geerbt habe, ist das Haus, und das ist hoch belastet. Die Geldverleiher mahnen mich immer gnadenloser, und die Beamten der Schatzkammer, auf die die Hypothek ausgestellt ist, drohen mit der Vollstreckung.
Dazu kommt, daß ich Fulvia heiraten will. Na also, höre ich Dich sagen, die Witwe von Publius Clodius ist doch eine der reichsten Frauen Roms, und wenn ihre Mutter stirbt — was nicht mehr lange dauern kann —, wird sie noch viel reicher sein. Aber, Caesar, ich kann nicht die Frau heiraten, die ich seit Jahr und Tag mehr liebe als jede andere, solange ich bis zum Hals in Schulden stecke. Obwohl ich nie gedacht hätte, daß sie etwas für mich übrig haben könnte, hat sie mir doch gestern einen so deutlichen Wink gegeben, daß ich vollkommen geplättet war. Ich sehne mich schrecklich danach, Fulvia zu heiraten, aber ich kann nicht, jedenfalls nicht, solange ich nicht selbst für mich aufkommen und ihr in die Augen sehen kann.
Deshalb mache ich Dir einen Vorschlag. Angesichts der Entwicklung in Rom brauchst Du den fähigsten und brillantesten Volkstribunen, den Rom je hervorgebracht hat. Denn Deine Gegner sehnen schon die Kalenden des März nächsten Jahres herbei, wenn im Senat über Deine Provinzen entschieden wird. Gerüchten zufolge wollen die boni alles dransetzen, sie Dir wegzunehmen und Dich — aufgrund des Fünfjahresgesetzes — durch Ahenobarbus ersetzen. Er hat ja nach seinem Konsulat keine Provinz übernommen, weil er zu reich und zu faul dazu war. Aber dafür, daß er Dich ersetzen kann, würde er auf den Händen nach Placentia laufen.
Wenn Du meine Schulden bezahlst, Caesar, gebe ich Dir mein heiliges Ehrenwort als Scribonius Curio darauf, daß ich der fähigste und brillanteste Volkstribun sein werde, den Rom je hervorgebracht hat, und stets in Deinem Interesse handeln werde. Solange ich im Amt wäre, würde ich alles tun, um die boni in Schach zu halten, und das ist kein leeres Versprechen. Ich brauche mindestens fünf Millionen.
Nachdem Caesar Curios Brief gelesen hatte, saß er lange Zeit regungslos da. Er hatte wieder Glück, und was für ein unglaubliches Glück! Curio als von ihm gekaufter Volkstribun! Ein ausgesprochener Ehrenmann, obwohl das nicht das Entscheidende war. Eine der bindendsten Normen der römischen Politik galt für Empfänger von Bestechungsgeldern. War jemand erst gekauft, blieb er es auch, denn die
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