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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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als seien er und Onkel Cato die dicksten Freunde. Die Schadenfreude Catos mir gegenüber, weil mein Sohn dieser Tage mehr auf ihn hört als auf mich, ist kaum zu ertragen.
    Cato ist ein solcher Heuchler. Redet immer von der Republik und dem mos maiorum und der Degeneration der herrschenden Klasse und findet zugleich immer einen Grund, warum das, was er will, richtig ist. Ich glaube, das Schönste an einer Lebensphilosophie ist, daß sie den, der sie hat, in die Lage versetzt, für sein eigenes Benehmen in jeder Situation mildernde Umstände zu finden. Sieh Dir doch seine Scheidung von Marcia an. Es heißt, jeder Mann habe seinen Preis. Ich glaube das. Ich glaube auch, daß der alte Narr Hortensius Catos Preis ausspuckte. Und Philippus — na ja, der ist Epikureer, und der Preis endloser Vergnügungen ist hoch.
    Da ich schon von Philippus rede: Ich war vor ein paar Tagen bei ihm zum Essen. Was für ein Glück, daß deine Nichte Atia moralisch so gefestigt ist. Ihr Stiefsohn, der junge Philippus — ein sehr attraktiver und vermögender Bursche —, starrte sie das ganze Essen über an wie ein Stier die Kuh auf der anderen Seite des Zaunes. Sie merkte es natürlich, tat aber, als merke sie es nicht. Sie wird den jungen Mann nicht ermutigen. Ich hoffe nur, daß der alte Philippus nichts merkt. Sonst geht das gemütliche Nest, das Atia sich eingerichtet hat, in Flammen auf. Nach dem Essen präsentierte sie mir ihren Sohn Gaius Octavius, dem ihre ganze Liebe gilt. Er muß Dein Großneffe sein, genau neun Jahre alt — es war sein Geburtstag. Ein erstaunliches Kind, zugegeben. Wenn mein Brutus so ausgesehen hätte, hätte Julia nie eingewilligt, Pompeius Magnus zu heiraten! Die Schönheit des Jungen verschlug mir den Atem. Und jeder Zoll ein Julier! Wenn Du sagen würdest, er wäre Dein Sohn, würden es alle glauben. Nicht daß er Dir vom Gesicht her wirklich ähnlich sieht, aber er hat etwas — ich weiß wirklich nicht, wie ich es beschreiben soll. Er hat etwas von Dir, aber mehr innerlich als äußerlich. Zu meiner Freude ist allerdings auch der kleine Gaius Octavius nicht vollkommen. Er hat abstehende Ohren. Ich sagte Atia, sie solle ihm die Haare nicht zu kurz schneiden.
    Das ist alles. Ich kondoliere Dir nicht zum Tod Julias. Man kann mit minderwertigen Männern keine guten Kinder zeugen. Zwei Versuche, keiner erfolgreich, und der zweite kostete sie das Leben. Du hast sie dem Tölpel aus Picenum gegeben statt einem Mann, der ihr von Geburt ebenbürtig war. Die Folgen hast Du Dir selbst zuzuschreiben.
    Vielleicht war Caesar über die Jahre immun gegen Servilias Gift geworden. Er legte ihren Brief hin, stand auf und wusch sich die Hände, mehr nicht.
    Ich glaube, ich hasse sie noch mehr als ihren entsetzlichen Halbbruder Cato. Sie ist die skrupelloseste, grausamste und bitterste Frau, die ich kenne. Doch wenn ich ihr morgen begegnen würde, würde unsere Affäre wahrscheinlich weitergehen. Julia nannte sie eine Schlange, das weiß ich noch gut. Eine zutreffende Beschreibung. Ihr jämmerlicher Waschlappen von Sohn ist jetzt ein jämmerlicher Waschlappen von Mann. Das Gesicht von eiternden Pickeln entstellt, die Seele von einer einzigen großen Eiterbeule namens Servilia. Brutus hat die Quästur bei mir nicht aufgrund von Prinzipien oder wegen Julia oder Onkel Cato abgelehnt; dazu ist ihm Geld viel zu wichtig, und meine Legaten verdienen davon eine Menge. Nein, er lehnte ab, weil er nicht in eine von Kriegen zerrissene Provinz will. Er könnte plötzlich kämpfen müssen. In Kilikien herrscht dagegen Frieden. Dort kann er ungestört seinen illegalen Geschäften als Geldverleiher nachgehen; der nächste Speer oder Pfeil fliegt erst am Euphrat.

    Noch zwei Briefe, dann würde er für heute Schluß machen und seinen Dienern befehlen, zu packen. Es war Zeit, nach Samarobriva umzuziehen.
    Faß Mut und bringe es hinter dich, Caesar! Lies den Brief von deiner Frau und den von deiner Mutter. Sie werden dir mit ihren liebevollen Worten viel mehr weh tun, als Servilia es mit ihrer scharfen Zunge je könnte.
    Also setzte er sich in der Stille seines privaten Zimmers, in dem niemand ihm zusah, wieder hin, legte den Brief seiner Mutter auf den Tisch und öffnete den von seiner Frau Calpurnia, die er kaum kannte. Er hatte in Rom nur wenige Monate mit dem unreifen, sehr schüchternen Mädchen verbracht, dem das orangefarbene Kätzchen, das er ihr geschenkt hatte, genausoviel bedeutete wie Servilia die sechs Millionen Sesterzen teure

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