MoR 05 - Rubikon
Begegnung mit Caesar unvermeidlich. Caesar war in Philippus’ Landgut in Formiae abgestiegen, das neben Ciceros Gut lag.
»Er hat mich überrumpelt!« sagte Cicero wütend zu Terentia. »Als hätte ich nicht schon genug Sorgen! Tiro ist schwerkrank, mein Sohn wird erwachsen — ach, wäre ich doch in Arpinum und nicht hier in Formiae! Wie gerne würde ich auf meine Liktoren verzichten! Und sieh dir nur meine Augen an! Ich brauche jeden Morgen eine halbe Stunde, um überhaupt etwas sehen zu können, so geschwollen und verklebt sind sie!«
»Du siehst wirklich erbärmlich aus«, bestätigte Terentia ungerührt. »Trotzdem denke ich, es ist das Beste, du gehst hinüber und bringst es hinter dich. Vielleicht läßt er dich ja dann in Ruhe.«
Also schleppte sich Cicero in seiner purpurgesäumten Toga und mit seinen Liktoren zu Caesar. Auf Philippus’ großem Landgut ging es zu wie auf einem Rummelplatz; überall waren Zelte aufgestellt, zwischen denen sich Menschen drängten. Auch im Haus waren so viele Menschen, daß Cicero sich fragte, wo Philippus und sein lästiger Gast überhaupt noch Platz zum Schlafen fanden.
Und da war er — Caesar. Bei den Göttern, er hatte sich überhaupt nicht verändert! Wie lange war es her? Neun Jahre? Oder mehr? Wenn Pompeius damals nicht heimlich nach Luca gegangen wäre, ohne ihm etwas zu sagen, hätte er Caesar dort treffen können. Cicero sank auf einen Stuhl und nahm einen Becher verdünnten Falerners entgegen. Und doch, Caesar hatte sich verändert. Er hatte noch nie warme Augen gehabt, aber jetzt waren sie so kalt, daß einen fröstelte. Er hatte immer schon Kraft und Stärke ausgestrahlt, aber nie so viel wie jetzt, und nie hatte er so einschüchternd gewirkt. So sieht ein König aus, dachte Cicero, und ein Schauer durchlief ihn.
»Du siehst müde aus«, sagte Caesar. »Und du siehst ja kaum noch.«
»Eine Augenentzündung«, erwiderte Cicero. »Sie kommt und geht. Aber du hast recht, ich bin müde. Deshalb sind die Augen besonders schlimm.«
»Ich brauche deinen Rat, Marcus Cicero.«
»Eine bedauernswerte Sache«, sagte Cicero, um unverbindliche Worte bemüht.
»Ja. Aber da die Dinge nun einmal so sind, müssen wir mit ihnen fertigwerden. Ich laufe wie auf Eiern und kann es mir nicht leisten, jemanden vor den Kopf zu stoßen, am allerwenigsten dich.« Caesar lehnte sich vor und schenkte Cicero sein freundlichstes Lächeln; es erreichte sogar seine Augen. »Willst du mir nicht helfen, der Republik, die uns so viel bedeutet, wieder auf die Beine zu helfen?«
»Auf keinen Fall! Schließlich warst du selbst derjenige, der sie ins Wanken gebracht hat!« entgegnete Cicero scharf.
Das Lächeln lag immer noch auf Caesars Lippen, aus seinen Augen aber war es verschwunden. »Nicht ich war das, Cicero, sondern meine Gegner. Ich habe den Rubikon aus keinem anderen Grund überschritten als dem, meine dignitas zu wahren, nachdem meine Feinde mich zum Gespött gemacht haben.«
»Du bist ein Verräter!« beharrte Cicero.
Caesars Mund wurde zu einem Strich. »Cicero, ich habe dich nicht hergebeten, um mit dir zu streiten. Ich hätte gerne deinen Rat, weil ich ihn schätze. Laß uns also vorerst nicht über die Regierung im Exil sprechen, sondern über das Hier und Jetzt, über Rom und Italia — für mich ein und dasselbe —, für die ich jetzt die Verantwortung trage. Ich möchte Ausschreitungen vermeiden, aber du weißt, daß ich jahrelang weg war. Du weißt also auch, daß ich jemanden brauche, der mich berät.«
»Ich weiß, daß du ein Verräter bist!«
Caesars Augen blitzten. »Sei doch nicht so begriffsstutzig!«
»Wer ist hier begriffsstutzig?« brauste Cicero auf. »Du führst dich auf wie ein König.« Der Wein in seinem Becher schwappte über.
Caesar schloß die Augen, und auf seinen bleichen Wangen brannten zwei rote Flecken. Cicero wußte, was das bedeutete, und bekam unwillkürlich eine Gänsehaut. Caesar würde einen Wutausbruch haben. Aber jetzt, dachte Cicero, hatte er sowieso schon alle Brücken hinter sich abgebrochen. Sollte Caesar ruhig seinen Ausbruch haben!
Aber Caesar beherrschte sich. Nach einer Weile öffnete er wieder die Augen. »Marcus Cicero, ich bin auf dem Weg nach Rom. Dort werde ich den Senat einberufen, und ich will, daß auch du anwesend bist. Ich will, daß du mir dabei hilfst, das Volk zu beruhigen, und den Senat wieder funktionsfähig zu machen.«
»Den Senat?« schnaubte Cicero. »Was für einen Senat denn? Deinen Senat, meinst du
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