MoR 05 - Rubikon
seufzte. »Ich habe wirklich nicht den leisesten Wunsch, König von Rom zu werden, Lucius; ich will nur, was mir vom Gesetz her zusteht. Wenn man mir das eingeräumt hätte, wäre es nicht so weit gekommen.«
»Ich verstehe dich gut«, sagte Philippus, »und ich glaube dir. Welcher denkende Mensch wollte schon König über ein so streitsüchtiges und dickköpfiges Volk wie die Römer sein?«
Sie lachten, und unbemerkt betrat ein Junge das Zimmer und wartete höflich, bis sie sich beruhigt hatten. Caesar erschrak, als er den Jungen sah, und betrachtete ihn stirnrunzelnd.
»Ah, jetzt erkenne ich dich. Du bist mein Großneffe, Gaius Octavius!« Er bot ihm einen Platz auf seiner Liege an.
»Lieber wäre ich noch dein Sohn, Onkel Caesar«, sagte der Junge. Er nahm Platz und schenkte Caesar ein bezauberndes Lächeln.
»Du bist groß geworden. Das letzte Mal, als ich dich sah, warst du noch unsicher auf den Beinen, und jetzt bist du schon bald ein Mann. Wie alt bist du?«
»Dreizehn.«
»Und du wärst gerne mein Sohn? Findest du nicht, du beleidigst deinen Stiefvater damit?«
»Tue ich das, Lucius Marcius?« fragte der Junge.
»Nein, keine Sorge. Ich habe zwei eigene Söhne und gebe dich gerne an Caesar ab.«
»Der aber, ehrlich gesagt, weder Zeit noch Lust auf einen Sohn hat. Ich fürchte, Gaius Octavius, du wirst mein Großneffe bleiben müssen.«
»Könnte ich nicht wenigstens dein Neffe sein?«
»Dagegen würde nichts sprechen.«
Der Junge schlug die Beine unter. »Ich habe Marcus Cicero gehen sehen. Er sah nicht glücklich aus.«
»Aus gutem Grund!« sagte Caesar grimmig. »Kennst du ihn?«
»Nur vom Sehen. Ich habe alle seine Reden gelesen.«
»Und was hältst du davon?«
»Er ist ein großartiger Lügner.«
»Findest du das bewundernswert?«
»Kommt darauf an. Lügen können sehr nützlich sein, es ist allerdings unsinnig, seine Karriere auf Lügen aufzubauen. Ich würde das jedenfalls nicht tun.«
»Und was würdest du statt dessen tun?«
»Meine Meinung für mich behalten und nicht alles sagen, was ich denke. Ich würde nicht zweimal denselben Fehler machen. Cicero trägt sein Herz auf der Zunge. Ich glaube, das ist politisch unklug.«
»Willst du nicht ein großer Feldherr werden, Gaius Octavius?«
»Doch, Onkel Caesar!« rief der Junge begeistert. »Aber ich glaube nicht, daß ich Talent dazu habe.«
»Und du willst deine Karriere nicht auf Worten aufbauen. Aber wie kannst du denn Karriere machen, wenn du deine Meinung immer für dich behältst?«
»Indem ich abwarte, was die anderen tun, ehe ich selbst handle«, sagte der Junge. »Extrovertiertheit ist ein Makel. Natürlich werden die Leute auf einen aufmerksam, aber man zieht auch Feinde an wie der Honig die Fliegen.«
»Philippus«, sagte Caesar lachend, »ich bestehe darauf, daß mir dieser Junge als Kadett geschickt wird, sobald er siebzehn ist!«
Ende März bezog Caesar Pompeius’ verlassene Villa auf dem Marsfeld. Er wollte die Stadtgrenze nicht überschreiten, denn es sollte nicht so aussehen, als räume er den Verlust seines Imperiums ein. Durch seine Volkstribunen Marcus Antonius und Quintus Cassius ließ er den Senat für die Kalenden des April im Apollo-Tempel einberufen. Dann besprach er sich mit Balbus und dessen Neffen Balbus Minor, Gaius Oppius sowie Gaius Matius und Atticus.
»Wer ist jetzt eigentlich wo?« fragte er die Versammelten.
»Manius Lepidus und sein Sohn sind nach Rom zurückgekehrt, nachdem du sie in Corfinium begnadigt hast«, sagte Atticus. »Soweit ich weiß, überlegen sie gerade, ob sie morgen in den Senat kommen sollen.«
»Und Lentulus Spinther?«
»Schmollt auf seinem Gut bei Puteoli«, sagte Gaius Marius. »Vielleicht folgt er Pompeius. Ich bezweifle jedenfalls, daß er in Italia Widerstand gegen dich schüren wird. Von Ahenobarbus scheint er die Nase voll zu haben.«
»Ahenobarbus?«
»Er ist auf der Via Valeria nach Rom zurückgekehrt, hat sich ein paar Tage in Tibur vergraben und ist jetzt in Etrurien, wo er mit beträchtlichem Erfolg Truppen aushebt«, sagte Balbus Minor. »Er ist ja sehr reich, und er hat sich den Sold für seine Truppen noch in Rom geholt, bevor du den Rubikon überschritten hast.«
»Dann hat Ahenobarbus, so unbeherrscht er ist, klüger gehandelt hat als alle anderen«, sagte Caesar. »Abgesehen von seiner Entscheidung natürlich, in Corfinium zu bleiben.«
»Stimmt«, pflichtete ihm Balbus Minor bei.
»Was hat er mit seinen etrurischen Rekruten vor?«
»Er hat
Weitere Kostenlose Bücher