MoR 05 - Rubikon
Menschen können das nicht mehr.«
»Hast du Caesar schon gesehen?« fragte Marcia.
Calpurnia hob den Blick, ihre großen braunen Augen waren traurig. »Nein, er ist wahrscheinlich zu beschäftigt.«
»Hast du denn gar nicht versucht, ihn zu sprechen?« fragte Porcia.
»Nein.«
»Meinst du nicht, du solltest das tun?«
»Er weiß, wo ich bin.« Es war eine einfache Feststellung, ohne Groll und Bitterkeit.
Ein zufälliger Beobachter hätte Caesars Frau, Catos Frau Marcia und Catos Tochter Porcia wahrscheinlich für ein seltsames Trio gehalten. Doch Calpurnia und Marcia waren schon lange befreundet — seit Marcia Quintus Hortensius’ Frau geworden war und in dieser Ehe ähnlich wie Calpurnia in ihrer Ehe mit Caesar geistig und körperlich vereinsamt war. Beide fühlten sich in der Gesellschaft der jeweils anderen wohl, beide waren zarte Seelen, die weder geistigen Beschäftigungen nachgingen noch den herkömmlichen weiblichen Tätigkeiten wie Spinnen, Weben, Nähen, Sticken, Malen, Einkaufen oder Klatsch und Tratsch. Beide hatten sie keine Kinder.
Angefangen hatte alles mit einem Kondolenzbesuch Marcias nach Julias Tod und, kaum einen Monat später, nach Aurelias Tod. Calpurnia war einsam wie sie, hatte Marcia damals gedacht; Calpurnia würde sie nicht bemitleiden und ihr auch nicht vorwerfen, daß sie ihrem Gatten in allem, was er tat, so kritiklos folgte. Nicht alle Römerinnen waren so unterwürfig, und sie hatten im Laufe ihrer Freundschaft festgestellt, daß sie beide die Frauen der unteren Stände beneideten, konnten diese doch als Ärztinnen, Geburtshelferinnen und Apothekerinnen arbeiten oder ein Handwerk ausüben wie die Zimmerei, die Bildhauerei oder die Malerei. Nur die Frauen der Oberschicht waren durch ihren Status auf damenhafte Betätigungen innerhalb des Hauses beschränkt.
Marcia mochte Katzen nicht. Sie hatte Calpurnias Leidenschaft zuerst unerträglich gefunden, dann aber bei genauerer Betrachtung entdeckt, daß Katzen doch ganz interessante Geschöpfe waren, was allerdings nicht hieß, daß sie jemals Calpurnias Drängen nachgegeben hätte, selbst ein junges Kätzchen bei sich aufzunehmen. Sie erkannte, daß Calpurnia Welpen statt Kätzchen auf dem Schoß haben würde, hätte Caesar ihr damals einen Schoßhund statt einer Katze geschenkt.
Porcia war erst kürzlich dazugestoßen. Nach Marcias Rückkehr in Catos Haus hatte Porcia zu ihrem Entsetzen festgestellt, daß Marcia mit Calpurnia befreundet war. Sie hatte Marcia deswegen ins Gewissen geredet, doch diese blieb unbeeindruckt, und Cato sah sich durch Porcias Klagen nicht veranlaßt, seiner Frau diesen Umgang zu verbieten.
»Die Welt der Frauen ist eine andere als die der Männer, Porcia«, beharrte er. »Calpurnia ist eine achtbare und bewundernswerte Frau. Ihr Vater hat sie mit Caesar verheiratet, so wie ich dich mit Bibulus verheiratet habe!«
Brutus’ Abreise nach Sizilien hatte Porcia dann verändert. Das Feuer der unerschütterlichen Stoikerin Porcia, die nichts mit der Welt der Frauen zu tun haben wollte, erlosch. Sie weinte heimlich. Bestürzt entdeckte Marcia, was Porcia so verzweifelt zu verbergen suchte und worüber sie nicht sprechen wollte: daß sie einen anderen Mann als ihren Gatten liebte, daß sie sich ihm offenbart und er sie zurückgewiesen hatte — und daß dieser Mann jetzt fortgegangen war. Ihr junger Stiefsohn entfernte sich allmählich von ihr, und so war Porcia einsam geworden. Sie brauchte eine herzlichere und wärmere Ansprache als Gespräche über Philosophie und Geschichte, sonst verkümmerte sie.
Marcia nahm Porcia also zu Calpurnia mit, nachdem Porcia ihr hoch und heilig geschworen hatte, keine politische Diskussion zu beginnen und nicht über den Todfeind ihres Vaters und ihres Mannes zu schimpfen. Und seltsamerweise gefielen Porcia diese Besuche. Sie war im Grunde ihres Herzens genauso gütig und sanftmütig wie Calpurnia und somit außerstande, Calpurnia zu verachten, nur weil sie die Frau Caesars war. Außerdem mochte Porcia Katzen. Sie hatte zuvor noch nie eine Katze aus der Nähe gesehen — Katzen schlichen nachts um die Häuser, schrien unheimlich, fraßen Mäuse und bettelten vor den Küchen um Futter —, aber als Calpurnia ihr den dicken roten Kater Felix hinhielt und Porcia das weiche, schnurrende Geschöpf im Arm hielt, mochte sie Katzen sofort. Neben der Freundschaft mit Calpurnia zogen sie die Katzen immer wieder in die Domus Publica zurück, obwohl sie wußte, daß weder ihr Vater
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