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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Carnutum, dem Nabel der druidischen Welt. Carnutum war weder ein oppidum noch eine Stadt, sondern mehr ein planvoll angelegter Komplex kleiner Eichen-, Ebereschen-- und Haselnußhaine, zwischen denen kleine Dörfer mit den Behausungen der Druiden lagen.
    Die Druiden waren unversöhnliche Gegner Roms. Rom stand für eine neue, verlockend andere Geisteshaltung, die mit Moral und Denken der Druiden zusammenstoßen und beides zerstören mußte. Der Grund dafür war nicht die Ankunft Caesars. Die Feindschaft war damals bereits tief verwurzelt als Ergebnis zweihundertjährigen Mitansehenmüssens, wie die gallischen Stämme des Südens allmählich dem römischen Einfluß erlagen. Die Griechen lebten zwar schon viel länger in der römischen Provinz, waren aber in der Küstenregion um Massilia geblieben und hatten die Barbaren mit Gleichgültigkeit behandelt. Die Römer dagegen waren unverbesserliche Welterneuerer. Wohin sie kamen, brachten sie ihre Werte und ihren Lebensstil mit, und sie pflegten denen, die mit ihnen zusammenarbeiteten und ihnen gute Dienste leisteten, ihre vielgepriesene Staatsbürgerschaft zu verleihen. Sie kämpften tapfer ihre Kriege, um unliebsame Praktiken wie das Köpfen, eine Lieblingsbeschäftigung der zwischen Massilia und Ligurien lebenden Salluvier, auszurotten; zudem waren sie immer bereit, erneut in den Krieg zu ziehen, wenn der letzte nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte. Während die Griechen dem Süden Galliens Weinstock und Olivenbaum gebracht hatten, hatten die Römer den dort ansässigen Völkern das römische Denken gebracht; jetzt hörten die Menschen nicht mehr auf die Druiden und schickten adlige Söhne zur Ausbildung nach Rom statt nach Carnutum.
    Caesars Ankunft in Gallien war der Höhepunkt, nicht die Ursache dieser Entwicklung. Weil er Pontifex Maximus und damit Oberhaupt der römischen Religion war, hatte der Oberdruide ihn auf seinem Besuch im Land der Carnuten in jenem ersten Jahr, in dem Rhiannon ihn begleitet hatte, um ein Gespräch gebeten.
    »Wenn dir Arvernisch recht ist, kannst du den Dolmetscher wegschicken«, sagte Caesar.
    »Ich habe gehört, daß du einige unserer Sprachen sprichst, aber warum Arvemisch?« fragte der Oberdruide.
    »Eine Dienerin meiner Mutter, Cardixa, war Arvernerin.«
    Die Stirn des Druiden bewölkte sich. »Eine Sklavin.«
    »Ursprünglich, aber nur wenige Jahre.«
    Caesar musterte den obersten Druiden eingehend, einen schönen, gelbhaarigen Mann Ende vierzig in einer einfachen, langen Tunika aus weißem Leinen; er war glattrasiert und trug keinerlei Schmuck.
    »Hast du einen Namen, Oberdruide?«
    »Cathbad.«
    »Ich hatte einen älteren Mann erwartet, Cathbad.«
    »Ich könnte dasselbe sagen, Caesar.« Cathbad musterte Caesar seinerseits. »Du bist blond wie ein Gallier. Ist das ungewöhnlich?«
    »Eigentlich nicht. Ganz schwarze Haare sind im Grunde ungewöhnlicher. Man kann das an unseren dritten Namen ablesen, die sich oft auf ein körperliches Merkmal beziehen. Rufus, ein häufiger Beiname, weist auf rote Haare hin, Flavus und Albinus auf blonde. Jemand mit ganz schwarzen Haaren und Augen heißt Niger.«
    »Und du bist der Hohepriester?«
    »Ja.«
    »Du hast den Titel geerbt?«
    »Nein, ich wurde zum Pontifex Maximus gewählt. Es ist ein Amt auf Lebenszeit wie bei allen unseren Priestern und Auguren, die auch alle gewählt werden. Unsere Staatsbeamten werden dagegen nur für eine einjährige Amtszeit gewählt.«
    Cathbad sah ihn erstaunt an. »Auch ich wurde gewählt. Und du bist wirklich für die religiösen Rituale deines Volkes zuständig?«
    »Wenn ich in Rom bin, ja.«
    »Das erstaunt mich. Du warst der oberste Magistrat deines Volkes und jetzt führst du eine Armee an. Trotzdem bist du der Hohepriester. Für uns ist das ein Widerspruch.«
    »Für den Senat und das römische Volk paßt das durchaus zusammen«, erwiderte Caesar freundlich. »Ich wiederum habe von den Druiden gehört, daß sie eine gesonderte Gruppe innerhalb des Stammes bilden, daß man sie Intellektuelle nennen könnte.«
    »Wir sind Priester, Ärzte, Anwälte und Dichter in einem«, sagte Cathbad angestrengt freundlich.
    »Aha, die Experten! Spezialisiert ihr euch?«
    »Ein wenig, besonders die, die als Ärzte tätig sein wollen. Aber wir kennen alle die Gesetze, die Rituale, die Geschichte und die Lieder unseres Volkes, sonst wären wir keine Druiden. Um das zu lernen, braucht man zwanzig Jahre.«
    Sie unterhielten sich im Hauptraum des öffentlichen Gebäudes

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