MoR 05 - Rubikon
abstellen konnte, um die Kadaver zu beseitigen. So hing der Gestank verwesenden Fleisches wie eine Glocke über dem Lager.
Lentulus Crus beschwerte sich natürlich als erster. »Pompeius, du kannst von uns nicht erwarten, daß wir diesen schrecklichen Gestank aushalten!«
»Man kann doch nicht dauernd die Luft anhalten, um den Gestank nicht einatmen zu müssen!« klagte Lentulus Spinther und hielt sich ein Taschentuch vor die Nase.
Pompeius lächelte boshaft. »Dann kann ich euch nur empfehlen, eure Sachen zu packen und nach Rom zurückzukehren.«
Zu Pompeius’ Leidwesen zogen es die beiden Lentuli jedoch vor, zu bleiben und sich weiter zu beschweren.
Der Gestank war für Pompeius nur ein kleineres Problem. Caesar war dabei, alle Bäche aufzustauen und Pompeius’ Lager von der Wasserversorgung abzuschneiden. Außerdem war Caesars Wall inzwischen siebzehn Meilen lang, der des Pompeius dagegen nur fünfzehn. Jetzt gab es kein Entrinnen mehr. Pompeius war eingeschlossen, seine Lage verzweifelt.
Mit Labienus’ Hilfe konnte er einige Einwohner von Dyrrhachium dazu überreden, Caesar zum Schein die Übergabe der Stadt anzubieten. Caesar war diesem Angebot nicht abgeneigt, war doch das Wetter mit Beginn des Frühjahrs nicht viel besser geworden; außerdem hatten Caesars Männer das aus Wurzeln gebackene »Brot« satt. Pompeius’ Vorräte in Dyrrhachium waren also Gold wert.
Am achten Tag des Quinctilis griff Caesar Dyrrhachium an. Während er vor den Stadttoren lag, griff Pompeius die Befestigungen in der Mitte der gegnerischen Wallanlagen von drei Seiten aus an. Die beiden Kastelle, die den Hauptstoß abfangen mußten, waren mit vier Kohorten der Zehnten Legion unter dem Kommando von Lucius Minucius Basilus und Gaius Volcatius Tullus bemannt. Die Verteidigung war hervorragend organisiert und hielt fünf pompeianischen Legionen stand, bis Publius Sulla Unterstützung aus Caesars Hauptlager brachte und verhinderte, daß sich Pompeius’ Soldaten hinter ihre eigenen Linien zurückziehen konnten. Gestrandet im Niemandsland zwischen den beiden Wällen, waren sie fünf Tage lang den Speeren und Steinen ihrer Gegner ausgesetzt. Als Pompeius sie schließlich herausholen konnte, hatte er zweitausend Mann verloren.
Für Caesar war es nur ein unbedeutender Sieg; daß er überrumpelt worden war, nagte bitter an ihm. Er ließ die vier Kohorten der Zehnten antreten und heftete ihnen weitere Auszeichnungen an die schon schwer behängten Standarten. Als er den Schild seines Zenturios Cassius Scaeva sah, der wie ein Seeigel mit hundertzwanzig Pfeilen gespickt war, beschenkte er den Mann mit zweihunderttausend Sesterzen und beförderte ihn zum primus pilus.
Dyrrhachium erging es weniger gut. Caesar ließ die Stadt mit Wällen einschließen und begann sie auszuhungern.
Am dreizehnten Tag des Quinctilis wurde Caesar zweiundfünfzig. Zwei Tage danach erkannte Pompeius, daß er den Durchbruch wagen mußte, wenn er nicht aufgrund von Wassermangel und ausbrechenden Seuchen zugrunde gehen wollte. Aber wie? So sehr er sich auch das Gehirn zermarterte, es fiel ihm kein Plan ein, der nicht zugleich die offene Feldschlacht mit Caesar bedeutet hätte.
Ein Zufall brachte die Lösung in Gestalt zweier Haeduer aus Caesars Reiterschwadron, die Caesar hauptsächlich zur Beförderung von Botschaften entlang seiner Wälle einsetzte. Die beiden Offiziere hatten das Geld ihrer Schwadron unterschlagen. Obwohl keine Römer, wirtschafteten die Haeduer nach römischem Vorbild mit verschiedenen Kassen für Ersparnisse, Bestattungen und Besoldungen; im Unterschied zu den römischen Legionen aber, die für die Verwaltung dieser Gelder eigens bestellte Buchhalter hatten, die regelmäßig und genauestens überprüft wurden, wurden die finanziellen Angelegenheiten der Gallier von zwei für diese Aufgabe gewählten Offizieren geregelt. Zufällig war ans Licht gekommen, daß diese beiden Offiziere seit dem Abmarsch aus Gallien Geld unterschlagen hatten, und deshalb waren sie zu Pompeius geflohen.
Sie gaben ihm genauestens Auskunft über die Verteilung von Caesars Truppen und wiesen ihn auf Caesars größte Schwachstelle am südlichen Ende seines Walls hin, dort, wo der Wall nach Westen bog und auf die Küste zulief. An dieser Stelle war der zweite Wall vor dem Hauptwall noch nicht fertiggestellt; er war noch nicht bemannt und wie der Hauptwall von der Küste her leicht anzugreifen.
Am Morgen des siebzehnten Quinctilis griff Pompeius an. Alle sechs seiner
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