MoR 05 - Rubikon
Legionen zu dienen.
»Warum tust du das, Caesar?« wunderte sich Publius Sulla. »Wir haben den Krieg doch gewonnen.«
Die hellen, durchdringenden Augen richteten sich ein wenig spöttisch auf Publius, Sullas Neffen. »Unsinn, Publius! Der Krieg ist noch lange nicht vorbei. Pompeius ist immer noch auf freiem Fuß, desgleichen Labienus, Cato, Pompeius’ Admirale samt ihren Schiffen und noch mindestens ein Dutzend weitere gefährliche Männer. Der Krieg ist erst vorbei, wenn sie alle das Knie vor mir beugen!«
Publius Sulla runzelte die Stirn. »Vor dir? Ach so, du meinst, vor Rom.«
»Ich bin Rom, Publius. Die Schlacht von Pharsalus hat es bewiesen.«
Für Brutus war Pharsalus ein einziger Alptraum gewesen. Ob Pompeius gemerkt hatte, welche Qualen er ausgestanden hatte? Auf jeden Fall war er dem Feldherrn unendlich dankbar gewesen, daß dieser ihn Spinther auf dem rechten Flügel am Fluß zugeteilt hatte. Doch dann hatten sie Antonius und Caesars Achter und Neunter Legion gegenübergestanden, und obwohl besonders die Neunte mit den eher unerfahreneren Männern der Vierzehnten aufgefüllt worden war, hatten Caesars Männer ihren Gegnern schwer zugesetzt. Beauftragt, sich zu Pferd um die Kohorten auf dem äußersten Flügel zu kümmern, hatte Brutus den aus Elfenbein geschnitzten Adler am Griff seines Schwertes angestarrt wie ein verängstigtes Tier eine Schlange.
Er hatte das Schwert nie gezogen. Plötzlich war Tumult ausgebrochen, und ein allgemeines Geschrei hatte angefangen. Seine Männer hatten »Hercules Invictus!« gebrüllt, die Legionäre der Neunten einen anderen, unverständlichen Schlachtruf. Entsetzt hatte er feststellen müssen, daß ein Nahkampf an vorderster Front nicht aus einzelnen Zweikämpfen Mann gegen Mann bestand, sondern aus einem unablässigen Gedränge, in dem gepanzerte Körper klirrend aufeinanderprallten und Schwerter blitzten und sich in Schilde bohrten. Wie konnte man dabei überhaupt Freund und Feind auseinanderhalten? Wer hatte denn noch Zeit, auf die Farbe des Helmbuschs zu achten? Wie versteinert hatte Brutus auf seinem Pferd gesessen und auf das Getümmel gestarrt.
Dann war die Nachricht vom Zusammenbruch des linken Flügels und der pompeianischen Reiterei eingetroffen. Auf einmal hörten die Männer auf, »Hercules Invictus!« zu schreien und flehten statt dessen um Gnade. Als die gelben Helmbüsche seiner Kohorten plötzlich vor einer Flut blauer Helmbüsche der Legionäre Caesars die Flucht ergriffen, trat Brutus seinem störrischen Pferd in die Weichen und galoppierte zum Fluß.
Den ganzen Tag über bis tief in die Nacht hielt er sich im sumpfigen Schwemmland des Enipeus versteckt; die Zügel seines Pferdes ließ er keinen Moment aus der Hand. Erst als der Jubel und das Gelächter der ihren Sieg feiernden Soldaten Caesars verstummt und die Feuer erloschen waren, wagte er sich wieder auf sein Pferd und ritt nach Larissa.
Ein Mann, der Mitleid mit ihm hatte, gab ihm griechische Kleider und nahm ihn bei sich auf. Brutus schrieb sofort an Caesar.
Caesar, diesen Brief schreibt Dir Marcus Junius Brutus, der einst Dein Freund war. Ich flehe Dich an, verzeihe mir, daß ich mich Gnaeus Pompeius Magnus und dem Senat im Exil angeschlossen habe. Seit Monaten bereue ich meine Entscheidung, Tarsus und Publius Sestius verlassen zu haben. Ich bin dort abgehauen wie ein dummer Junge auf der Suche nach dem großen Abenteuer. Aber dieses Abenteuer war überhaupt nicht nach meinem Geschmack. Wie ich festgestellt habe, bin ich unkriegerisch bis zur Lächerlichkeit.
In der Stadt erzählt man sich, Du hättest alle Anhänger des Pompeius ungeachtet ihres Ranges begnadigt, vorausgesetzt, sie haben sich nicht schon zum zweiten Mal gegen Dich gestellt. Man erzählt sich aber auch, Du seist bereit, all denen ein zweites Mal zu vergeben, für die sich einer Deiner eigenen Männer verbürgt. Das ist in meinem Fall nicht nötig. Ich habe mich Dir nur einmal entgegengestellt und flehe Dich nun an, mir zu verzeihen, wenn nicht meinetwegen, so doch um meiner Mutter und Deiner geliebten Tochter Julia willen.
Vor allem dieser Brief war der Grund, warum Caesar sich mit seinen Legaten auf den Weg nach Larissa gemacht hatte.
»Suche Marcus Junius Brutus und bringe ihn zu mir!« befahl er dem Ethnarchen der Stadt, der ihm entgegengeeilt war, um flehentlich um Gnade für die Einwohner der Stadt zu bitten. »Bringe ihn zu mir, und Larissa wird nichts geschehen.«
Ein zutiefst verzweifelter, ausgemergelter
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