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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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erteilen. Kurz vor Sonnenuntergang erreichte der Brief schließlich den Sekretär des Sekretärs von Potheinus. Neugierig betrachtete der Sekretär das Siegel — und erstarrte: ein Löwenkopf mit den Buchstaben CN POMP MAG als Mähne. »Beim Serapis!« rief er und eilte zu Potheinus’ Sekretär, der seinerseits zu Potheinus eilte.
    »Exzellenz!« keuchte der Mann und hielt ihm die kleine Papierrolle entgegen. »Ein Brief von Gnaeus Pompeius Magnus!«
    Potheinus, der Haushofmeister, nur mit einem Gewand aus hauchdünnem, purpurfarbenem Leinen bekleidet, denn er hatte seine Arbeit für den Tag beendet, sprang mit einem Satz von seiner Liege, entriß dem Sekretär die Rolle und starrte ungläubig auf das Siegel. Es war wirklich Pompeius’ Siegel!
    »Hole Theodotus und Achillas!« befahl er seinem Sekretär. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und erbrach das rote Wachssiegel. Mit zitternden Händen entrollte er das Blatt aus feinstem Papyrus und versuchte, die ausladenden, krakeligen griechischen Buchstaben zu entziffern.
    Als Theodotus und Achillas kamen, hatte er den Brief gelesen und starrte aus dem Fenster, das nach Westen auf den betriebsamen Hafen von Pelusium sah.
    »Was ist los?« fragte Achillas, ein makedonisch-ägyptischer Mischling in den Dreißigern, groß wie ein Makedone und dunkel wie ein Ägypter. Er war sein ganzes Leben lang Soldat gewesen und wußte, daß er die Königin früher oder später bezwingen mußte, um nicht ins Exil und in den Ruin getrieben zu werden.
    »Siehst du die drei Schiffe da?« Potheinus deutete auf drei Triremen, die vor dem Hafen ankerten.
    »Dem Bug nach zu urteilen, in Pamphylien gebaut.«
    »Weißt du, wer an Bord ist?«
    »Keine Ahnung.« »Gnaeus Pompeius Magnus.«
    Theodotus entfuhr ein Schrei, dann ließ er sich kraftlos auf einen Stuhl fallen.
    Achillas spannte die Muskeln seiner nackten Unterarme an und legte die Hände auf seinen harten, ledernen Brustpanzer. »Beim Serapis!«
    »Allerdings!« bestätigte der Haushofmeister.
    »Was will er?«
    »Eine Audienz beim König und freie Fahrt nach Alexandria.«
    »Wir müssen mit dem König sprechen«, sagte Theodotus und stand auf. »Ich hole ihn.«
    Weder Potheinus noch Achillas widersprachen. Was immer sie beschließen würden, sie würden es im Namen des Königs beschließen. Natürlich würden sie ihn nicht mitreden lassen, aber er hatte das Recht, bei Besprechungen seiner Berater anwesend zu sein.
    Der dreizehnte Ptolemaios hatte zu viele Süßigkeiten gegessen, und ihm war übel. Doch als Theodotus ihm mitteilte, wer an Bord der Triremen sei, war seine Übelkeit wie weggeblasen, und er zeigte eifriges Interesse.
    »Werde ich ihn kennenlernen, Theodotus?«
    »Das bleibt abzuwarten«, sagte sein Erzieher. »Jetzt setzt Euch, hört gut zu und unterbrecht uns nicht — Hoheit«, fügte er hinzu.
    Potheinus übernahm den Vorsitz. Er nickte Achillas zu. »Erst deine Meinung, Achillas. Was machen wir mit Gnaeus Pompeius?«
    »Hm, sein Brief ist nicht besonders aufschlußreich, er bittet lediglich um eine Audienz und um freie Fahrt nach Alexandria. Er hat drei Kriegsschiffe und sicher auch eine Handvoll Soldaten dabei, aber das muß uns keine Sorgen machen. Ich finde, wir sollten ihm die Audienz gewähren und ihn nach Alexandria fahren lassen. Wahrscheinlich ist er auf dem Weg zu seinen Freunden in der Provinz Africa.«
    »Und wenn bekannt wird, daß er hier war?« sagte Theodotus erregt. »Daß er vom König empfangen wurde? Er hat die Schlacht von Pharsalus verloren! Können wir uns leisten, seinen Bezwinger, den mächtigen Gaius Julius Caesar, zu kränken?«
    Potheinus hatte Theodotus genauso aufmerksam zugehört wie Achillas. Sein schönes Gesicht war unbewegt. Dann sagte er: »Theodotus’ Argument ist einleuchtender. Was ist Eure Meinung, Hoheit?«
    Der zwölfjährige König von Ägypten runzelte die Stirn. »Ich stimme mit dir überein, Potheinus.«
    »Gut. Theodotus, fahre fort!«
    »Wir müssen folgendes in Betracht ziehen: Pompeius Magnus hat den Kampf um die Vorherrschaft im Römischen Reich verloren, dem mächtigsten Reich westlich der Parther. König Ptolemaios Alexander hat in seinem Testament Ägypten dem Römischen Reich vermacht. Wir Alexandriner haben entgegen diesem Testament den Vater des jetzigen Königs auf den Thron gesetzt. Dann hat Marcus Crassus versucht, in Ägypten einzumarschieren. Das haben wir verhindert und dann eben jenen Caesar dafür bezahlt, daß er Auletes’ Herrschaft bestätigt.«

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