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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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jung«, sagte Hirtius, »und bei den anderen Abgeordneten der Arverner nicht sehr beliebt. Sie hörten ihm zähneknirschend zu und hätten am liebsten ihn umgebracht, nicht Caesar.«

    Während die Versammlung im großen Saal weitertagte, saß Rhiannon mit dem Schreiber der Haeduer in Caesars Steinhaus.
    »Lies mir vor«, sagte sie.
    Der Schreiber öffnete das Siegel, das bereits geöffnet und mit Quintus Ciceros Siegelring erneut versiegelt worden war (Rhiannon wußte ja nicht, wie Servilias Siegel aussah). Dann zog er die kleine Rolle auseinander und beugte sich murmelnd längere Zeit darüber.
    »Lies!« befahl Rhiannon ungeduldig.
    »Ich muß es zuerst entziffern«, erwiderte er.
    »Caesar braucht nicht so lange.«
    Er sah seufzend auf. »Caesar ist Caesar. Außer ihm kann niemand einen Brief vom Blatt lesen. Und je mehr du redest, desto länger brauche ich.«
    Rhiannon ergab sich und zupfte nervös an den goldenen Fäden, mit denen ihr langes, bräunlich-karmesinrotes Gewand durchwirkt war. Sie brannte darauf zu erfahren, was Servilia ihr schrieb.
    Endlich war der Schreiber soweit. »Ich kann anfangen.«
    »Dann fang an!«

    »>Tja, ich habe wirklich nicht damit gerechnet, von Caesars gallischer Freundin einen Brief in sehr seltsamem Latein zu bekommen, aber zugegeben, es ist amüsant. Du hast Caesar also einen Sohn geboren. Wie erstaunlich! Ich habe ihm eine Tochter geboren. Sie trägt genausowenig wie Dein Sohn Caesars Namen, denn ich war damals mit Marcus Junius Silanus verheiratet. Ein entfernter Verwandter dieses Marcus Junius Silanus, der genauso heißt, ist dieses Jahr einer von Caesars Legaten. Meine Tochter heißt deshalb Junia, und weil sie die dritte Junia ist, nenne ich sie Tertulla.
    Du schreibst, Du seist eine Prinzessin. Bei den Barbaren gibt es so was, ich weiß. Du schreibst das, als ob es eine Bedeutung hätte, aber das hat es nicht. Für einen Römer zählt nur römisches Blut. Römisches Blut ist besser. Der nichtswürdigste Gauner, der in Rom durch eine dunkle Gasse schleicht, ist besser als Du, weil römisches Blut in seinen Adern fließt. Kein Sohn, dessen Mutter keine Römerin ist, könnte Caesar interessieren. Caesar hat den erhabensten Stammbaum aller Römer. Unter seinen Vorfahren war kein einziger Nichtrömer. Wenn Rom einen König hätte, hieße er Caesar. Seine Vorfahren waren Könige. Aber Rom hat keinen König, und Caesar würde das auch gar nicht zulassen. Römer beugen sich vor niemandem.
    Ich kann Dir nicht helfen, Barbarenprinzessin. Ein Römer braucht keinen leiblichen Sohn, um seine Macht und den Familiennamen zu vererben, denn er kann einen Sohn adoptieren. Er tut das sehr sorgfältig. Er adoptiert einen Sohn, der würdig ist, sein Geschlecht fortzusetzen, und der infolge der Adoption seinen Namen annimmt. Auch mein Sohn wurde adoptiert. Er hieß Marcus Junius Brutus, aber sein Onkel, mein Bruder, der kinderlos starb, adoptierte ihn testamentarisch. Aus Brutus wurde Quintus Servilius Caepio, Mitglied meiner Familie. Erst in den letzten Jahren ist er wieder zu dem Namen Marcus Junius Brutus zurückgekehrt, aus Stolz auf einen Vorfahren unter den Juniern, Lucius Junius Brutus, der den letzten König von Rom verbannte und die römische Republik gründete.
    Wenn Caesar keinen Sohn hat, wird er einen Sohn aus julianischem Geschlecht und mit makellos römischen Vorfahren adoptieren. So ist es in Rom Brauch. Caesar weiß das, und er weiß auch, daß er, sollte er keinen leiblichen Sohn haben, testamentarisch Abhilfe schaffen kann.
    Antworte nicht auf diesen Brief. Die Vorstellung, daß Du Dich mit Caesars Frauen auf eine Stufe stellst, mißfällt mir entschieden. Du bist nicht mehr und nicht weniger als ein Notbehelfe«
    Der Schreiber ließ die Rolle zusammenschnappen. »Jetzt wissen wir mal wieder, wohin wir Barbaren gehören«, sagte er wütend.
    Rhiannon nahm ihm den Brief weg und begann ihn in kleine Stücke zu zerreißen. »Verschwinde!« fauchte sie.
    Tränen strömten ihr über die Wangen, als sie zu Orgetorix ging, der im Nebenzimmer in Obhut seiner Amme spielte. Gerade zog er geschäftig ein Spielzeugmodell des Trojanischen Pferdes über den Boden. Caesar hatte es ihm geschenkt und ihm gezeigt, wie es funktionierte. Wenn man es an der Seite öffnete, purzelten fünfzig lebensecht geschnitzte und bemalte Griechen heraus, von denen jeder einen Namen hatte: der rothaarige Menelaus, der rothaarige Odysseus mit den kurzen Beinen, der schöne Neoptolemus, Sohn des toten

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