Morag und der magische Kristall
sie zu einem lebenden Denkmal für sie wurde. Abgesehen von Devlishs eigenen Leuten, ist Shona das einzige Geschöpf, das weiß, wie man nach Murst kommt.«
»Das ist ja schrecklich«, sagte Morag mit vor Erstaunen geweiteten Augen. »Also werden wir sie befreien und dann nach Murst gehen und das Auge holen?«
»Nun, nicht ganz«, erklärte Bertie. »Montgomery hat uns mit der Aufgabe betraut, Shona zu befreien. Er weiß jetzt, wie man es machen muss, verstehst du? Er hat endlich in einem alten Buch in der Großen Bibliothek in Marnoch Mor einen Zauber entdeckt; diese Bibliothek befindet sich im Museum für Unheimliche Dinge und Magie . Er hat mich für diese Aufgabe ausgewählt, weil …« An dieser Stelle machte er eine dramatische Pause. »Nun, ich will ja nicht meine eigene Trompete blasen, aber er hat mich ausgewählt, weil ich der beste Schüler in seiner Magieschule bin. Er hat den geheimen Zauber geflüstert, mit dem ich den Bann brechen werde, der Shona in ihrer steinernen Gestalt festhält. Ich fühle mich so geehrt; es ist eine so große Sache, dies für einen so großen Mann zu tun. Ich kann nicht glauben, dass er mich ausgewählt hat, obwohl meine Zensuren natürlich immer die besten der Klasse waren und …«
»Ahäm!«, unterbrach Aldiss ihn, und Bertie riss sich zusammen.
»Ach ja«, sagte der Dodo, dem plötzlich wieder einfiel, dass er eine Geschichte erzählte. »Ich muss sie befreien und dann zu Montgomery schicken, der nach Murst gehen und das Auge von Lornish holen wird.«
»Hmmmm«, machte Morag, während sie zum Himmel aufblickte. Der Regen zog ab und der Himmel sah nicht mehr ganz so mörderisch aus wie zuvor. »Wenn Montgomery so groß ist, warum ist er dann nicht selbst hergekommen, um Shona zu befreien? Das wäre doch gewiss ein besserer Plan gewesen?«
»Ähm, ja, vielleicht, wenn nicht gerade jetzt die AAV des RHZMG stattfinden würde.«
»AAV?«
»Alljährliche Allgemeine Versammlung« , erklärte Bertie. »Montgomery muss dabei sein, um die Versammlung zu leiten. Wenn er nicht anwesend ist, wird Devlish wissen, dass etwas im Gange ist, und er wird versuchen, dem einen Riegel vorzuschieben. Unsere beste Waffe gegen ihn ist die Überraschung. Wenn wir Shona befreien können, ohne dass er davon erfährt, hat Montgomery eine bessere Chance, unbemerkt nach Murst zu kommen. Es ist ein ziemlich brillanter Plan«, fügte der Dodo triumphierend hinzu.
»Es hat aufgehört zu regnen!«, quiekte Aldiss aufgeregt. Bertie und Morag blickten nach draußen. Tatsächlich, der dunkle Abendhimmel, jetzt hell erleuchtet vom weißen Licht des Vollmonds, war frei von Regenwolken.
»Nun, Fräulein Morag«, sagte Bertie und sah ihr direkt in die Augen. »Dies könnte sehr gefährlich werden. Zum einen wissen wir nicht, in welcher Stimmung Shona sein wird, wenn wir sie befreien. Drachen sind wohlbekannt für ihre Übellaunigkeit. Sie könnte uns angreifen! Bist du dir sicher, dass du nicht nach Hause gehen willst?«
Auf Morags Gesicht stand ein dickes, fettes, strahlendes Grinsen. »Und eine Begegnung mit einem richtigen, lebendigen Drachen versäumen?«, fragte sie atemlos. »Ich will ganz eindeutig immer noch mitkommen. Ich habe noch nie zuvor ein Abenteuer erlebt.« »Dann machen wir uns am besten auf den Weg«, erwiderte der Dodo. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Kapitel 5
Bertie, dem Aldiss und Morag folgten, huschte aus der sicheren Höhle und über einen schmalen Pfad, der zu den Sanddünen direkt am Strand führte. Die Dünengräser strichen sachte über ihre Schlafanzughose, während Morag versuchte, mit dem schnellen Tempo ihrer beiden neuen Freunde mitzuhalten. Bevor sie die Höhle verlassen hatten, hatte Bertie sie gewarnt, dass Devlishs Spione überall seien. Außerdem hatte er sie gebeten, nach jedweden Tieren oder Menschen Ausschau zu halten, die gefährlich wirkten. Während Morag den beiden beklommen folgte, huschte ihr Blick von einer Seite zur anderen, um über die dunklen Hügel hinauszuspähen.
»Woran werde ich sie erkennen?«, fragte sie nervös.
»Oh, du wirst sie erkennen, keine Bange«, erwiderte Aldiss furchtsam. Dann beugte er sich vor und flüsterte ihr zu: »Ihre Augen leuchten in der Dunkelheit!«
Da waren sie also, ein Mädchen in einem Hausmantel, eine Ratte und ein Dodo, die unsicheren Schrittes über den weichen Sandweg liefen. Morag stolperte einige Male in dem tiefen Sand und fiel einmal auf die Knie, aber sie rappelte sich schnell wieder hoch
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