Morag und der magische Kristall
kleine Rattenmann glaubte, noch immer zu träumen, und machte sich daran, seinen eingebildeten Käse zu beschützen. Seine kleine Nase zuckte, als das haarige Geschöpf näher herankroch, aber der Gestank genügte nicht, um ihn zu wecken.
Bertie, der nie einen besonders ausgeprägten Geruchssinn gehabt hatte, regte sich im Schlaf. Er träumte von Landkarten und Molen und Klippen, als plötzlich etwas Merkwürdiges geschah. Eine Karte der Insel wurde schwarz und begann zu brennen, und der erstickende Rauch brachte ihn dazu, die Karte fallen zu lassen. Sie landete auf seinen Füßen und er kreischte auf. Er wimmerte im Schlaf und seine Schwanzfedern zitterten. Tanktop erstarrte. Er beobachtete den Vogel, bis der wieder aufhörte, sich zu bewegen, und streckte vorsichtig die Hand aus. Nachdem er die Finger unter Berties schützenden Flügel geschoben hatte, bekam Tanktop die Ecke des Tornisters zu fassen.
Langsam, langsam, dachte Tanktop bei sich, während er die Tasche aus Berties Griff löste. Der Klappdämon leckte sich die Lippen. Er dachte bereits an die köstlichen Leckerbissen, die er aus ihr herausziehen würde: Schweineschwarte und Innereien, Hühnerfett und Heringsköpfe und seine Lieblingsspeise, Schweinsfüße, kalte Erbsen in Gelee und matschig gekochte Sprossen. Speichel tropfte ihm von den Lippen und sammelte sich mit einem leisen Platschen zu einer kleinen Pfütze auf dem Tisch. Bei dem Geräusch begannen Aldiss’ Ohren zu zucken.
»Bertie, bist du das?«, murmelte der Rattenmann im Schlaf, die Augen immer noch geschlossen, den Kopf eingezogen.
Bertie antwortete nicht. Tanktop hielt den Atem an. Aldiss wurde wieder still. Tanktop seufzte vor Erleichterung und zog sich, die Tasche an seine behaarte Brust gedrückt, leise rückwärts zur Leiter zurück.
Auf Zehenspitzen erreichte er deren unteres Ende. Ein schneller Blick überzeugte ihn davon, dass alles ruhig war, und langsam machte er sich auf den Weg hinauf an Deck. Während er sich im Stillen zu seinem gerissenen Diebstahl gratulierte, öffnete der Klappdämon verstohlen die Luke. Kein Geräusch wurde laut, als die Klappe aufschwang und …
Tanktop kreischte, das Herz wollte ihm schier aus dem dünnen Hals springen. Direkt vor ihm klaffte das mit messerscharfen Zähnen besetzte Maul eines erzürnten Drachen. Die Nüstern gebläht und mit flackerndem Feuer in den gelben Augen, stieß Shona ein leises, tiefes Knurren aus. Tanktop sog scharf die Luft ein, verdrehte die Augen und fiel in Ohnmacht. Sein lebloser Leib polterte lärmend die Leiter hinunter und er landete mit einem Grunzen unten in der Kajüte. Die Tasche kullerte hinter ihm her und blieb neben ihm liegen.
Bertie und Aldiss sprangen, vom Lärm geweckt, erschrocken auf die Füße.
»Was? Was?«, stammelte Aldiss ungläubig. »Was hat ein Klappdämon an Bord dieses Bootes zu suchen?«
»Er wollte sich gerade mit deiner Tasche davonmachen, Bertie«, rief Shona von Deck. »Bis ich seinen eitrigen Gestank gerochen habe.«
Tanktop stöhnte auf. Der Sturz hatte ihn aus seiner Ohnmacht geweckt, und jetzt blickte er zu zwei zornigen Tieren auf, einem Dodo und einer Ratte, die über ihm standen. Der Klappdämon setzte sich hin, rieb sich den Rücken und sah sie furchtsam an.
»Nun?«, fragte Bertie. »Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, Dämon?«
Tanktop schluckte hörbar. »Ich entschuldige mich tausendmal für die Störung – Euer Majestät«, versuchte er es freundlich. Dann hustete er und seine normale Knurrstimme kehrte zurück. »Ich wollte nur für dich auf deine Tasche aufpassen, sollte sich eine Bestie wie diese böse, verlogene Drachendame hereinschleichen und sie stehlen wollen … Euer Majestät.« Tanktop bemühte sich um einen unschuldigen Gesichtsausdruck.
Bertie ließ sich nicht täuschen.
»Erstens, sei bitte so freundlich und hör auf, mich ›Euer Majestät‹ zu nennen, ich bin kein König und werde wahrscheinlich auch niemals einer werden«, blaffte er. »Zweitens, sei so freundlich und hör bitte auf, uns zu belügen. Es ist klar, was du vorhattest. Sag die Wahrheit oder …« Bertie sah sich auf der Suche nach einer Eingebung um – nach irgendetwas, womit er den Klappdämon bedrohen konnte. »Oder ich verfüttere dich an sie.«
Shona, die von Deck aus hinunterblickte, runzelte bei diesen Worten zuerst die Drachenstirn, besann sich dann aber schnell eines Besseren und bleckte die Zähne, als Tanktop zu ihr aufschaute, um festzustellen, ob Bertie es ernst
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