Morag und der magische Kristall
war?
Schließlich traf Kyle eine Entscheidung. Er trat vor die Tür, die ihnen am nächsten war, und riss daran. Sie schwang mit einem Ächzen auf. Kyle stieß einen schrillen Schrei der Überraschung aus und sprang zurück. Zwei Wischmopps und eine Bürste fielen heraus und landeten klappernd auf dem Holzboden.
»Diese Tür ist es also nicht«, bemerkte Shona lachend. Morag half Kyle, das Putzzeug aufzuheben und wieder zurückzustellen.
Alle Aufmerksamkeit richtete sich jetzt auf die andere Tür. Einige Sekunden lang rührte sich keiner der Freunde.
Dann trat Morag vor und zog die Tür auf. Licht flutete in den schäbigen Flur und zeichnete ihre Silhouette in der Tür nach. Sie alle zogen sich zurück und beschirmten mit den Armen die Augen, geblendet von der Stärke des grellen Lichtes. Als ihre Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, bemerkten sie eine Stufe die zu einer weiteren Treppenflucht führte.
»Kommt«, ergriff Bertie die Initiative. »Dies muss der richtige Weg sein.« Er hüpfte durch die Tür und verschwand im Strahlen des Lichtes. Sie hörten ihn das zweite Treppenhaus hinaufhoppeln. Ohne zu zögern, folgten sie Bertie nach oben.
Einundvierzig, zweiundvierzig, dreiundvierzig Stufen, zählte Morag. Vierundvierzig, und sie waren oben angelangt und standen in einem runden Raum ohne Fenster. Das Licht kam von einem großen weißen Stein, der auf einem mitten im Raum schwebenden Holzstab prangte. Sie hörten ein schwaches, pulsierendes Geräusch, das aus dem Stein zu kommen schien.
»Das Auge von Lornish!«, stieß Bertie hervor. »Es ist so schön.« Wie gebannt starrte er es an. »Es ist so viel schöner, als ich erwartet hatte.«
Aldiss, der gleichermaßen verzaubert war, sagte nichts, sondern wimmerte nur leise vor sich hin. Morag hatte noch nie zuvor etwas Ähnliches gesehen und hätte sich nie träumen lassen, dass etwas so Exquisites auf dieser Welt existierte. Sie spürte, wie sie zu dem Stein hingezogen wurde, erfüllt von dem verzweifelten Verlangen, ihn zu berühren, ihn in ihrer Hand zu spüren, und wie in Trance bewegte sie sich vorsichtig und mit ausgestreckter Hand vorwärts. Wenn sie ihn nur für eine Sekunde berühren konnte …
»Halt!« Shona packte sie und zog sie zurück. »Dieser Stein ist gefährlich. Wir wissen nicht, was er uns antun kann.«
»Und wie ich Devlish kenne«, sagte Bertie, »wird er ihn mit einem Zauber belegt haben, um zu verhindern, dass irgendjemand ihn mitnimmt!«
Morag sah den Stein erschrocken an. Beinahe hätte sie ihn berührt!
»Wie scharfsinnig«, erklang eine Stimme hinter ihnen und jemand klatschte langsam in die Hände. Sie wirbelten herum. Dort in der Tür stand die gertenschlanke Gestalt Mephistas.
»Der Vogel hat vollkommen recht«, erklärte sie. »Der Stein wird von einem starken Zauber geschützt, den nur ich und mein Vater brechen können.«
Sie stolzierte herein und lächelte die verblüfften Freunde verschlagen an. »Überrascht, mich zu sehen?«, fragte sie und blickte von einem zum anderen. »Ihr habt wohl gedacht, ich würde schlafen wie die anderen auch? Hmmmm?« Sie lächelte heiter. »Ein kluger Plan, einen Schlaftrunk in die Suppe zu geben. Er hatte nur einen winzigen Fehler.«
Sie machte eine dramatische Pause.
»In meiner Position muss man argwöhnisch sein. Genau wie mein Vater habe ich Vorkoster, die alles probieren, was mir serviert wird, bevor ich es anrühre. Ihr könnt euch meine Überraschung vorstellen, als ich sah, wie sie alle an meinem Tisch einschliefen. Zuerst konnte ich es nicht verstehen, aber dann dämmerte mir, dass dies mit der Ankunft einer Gruppe von Fremden zusammenhängen musste. Da wusste ich, dass jemand hinter dem Stein her war.«
Niemand sagte ein Wort.
»Also!«, fauchte Mephista, und Aldiss und Bertie zuckten zusammen. »Was soll ich mit euch machen? Ein reisender Spielmann, wahrhaftig! Steckt unter der Decke mit einer kleinen Dienstmagd, die es besser wissen sollte. Du bist offenkundig hier, um den Stein zu stehlen, und das kann ich nicht zulassen, nicht wahr? Der Kristall gehört meinem Vater.«
»Das ist eine Lüge!«, rief Bertie. »Der Stein gehört Marnoch Mor!«
Mephista bedachte den kleinen Dodo mit einem Blick, der so böse war, dass der Vogel vor Angst aufkreischte. Wimmernd wich Bertie vor ihr zurück. Mephista sagte nichts, sondern schob lediglich eine Hand in ihren Ärmel und holte etwas Langes, Silbriges daraus hervor. Sie hielt es in die Höhe. Der Zauberstab glitzerte
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