Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
stellte einen Kessel mit dampfender Suppe auf den Tisch. Seiner Figur nach zu urteilen muss sein Fraß ungenießbar sein, dachte Johann, als er das abgemagerte Männchen betrachtete, das eilig Holzteller und Löffel verteilte.
„Ich w-w-wünsche den H-h-herren ein-nen g-g-g-guten –“ Der Wirt beendete seinen Satz mit einem Handsalut und eilte wieder aus der Stube.
„Der hat doch nicht alle sieben Sachen beieinander“, kommentierte Karl.
Markus roch am Kessel. „Also ich hab schon schlechter gespeist“, verkündete er.
„Na denn.“ Der Preuße schöpfte jedem von ihnen aus, doch bevor er zum eigenen Löffel greifen konnte, stand Johann auf.
„Ich möchte mich von ganzem Herzen für eure Unterstützung bedanken.“ Er holte tief Luft. „Ihr wisst, ihr könnt jederzeit gehen, ohne ein schweres Herz haben zu müssen. Auch du, Markus. Danke.“
„Ja, wenn ich das gewusst hätte“, flachste Karl, aber Hans rempelte ihn in die Seite. „Ich sage so“, fuhr Karl fort, „gemeinsam haben wir es begonnen, und gemeinsam beenden wir es auch.“
Zustimmend schlugen die anderen mit dem Stiel ihrer Holzlöffel auf den Tisch.
Nachdem sie sich die Bäuche vollgeschlagen hatten, räumte der Wirt den Suppenkessel weg. Ermattet saßen die Männer da, jeder einen Weinkrug vor sich. Warum der Wirt so abgemagert war, konnte sich Johann nach der wahrlich köstlichen Mahlzeit nicht erklären, aber vielleicht hatte er ja die Schwindsucht.
Die Anspannung, die Johann gestern Abend in Deutsch-Altenburg noch beinahe zerrissen hatte, war einem inneren Drang gewichen, der aber mit jeder zurückgelegten Meile schwächer wurde und nun beinahe völlig in eine unerwartete Gelassenheit überging. Johann wusste, dass er auf dem richtigen Weg war. Er wusste, dass ihn nur noch wenige Tage davon trennen konnten, Elisabeth wieder in den Armen zu halten.
Und je stärker sein Verlangen nach ihr wurde, umso schwerer vorstellbar war es für ihn, wie der Preuße den Verlust seiner Josefa verkraften konnte.
„Hab ich nicht recht, Johann?“, wiederholte der Preuße.
Johann riss sich aus seinen Gedanken. „Das hast du“, bluffte er.
„Werden wir ja sehen, ob du so gut bist“, sagte Hans, zog ein abgegriffenes Kartenspiel aus seiner Weste und knallte es auf den Tisch. „Schnapsen ist angesagt, meine Herren! Wers Bummerl kriegt, zahlt einen Kreuzer, wenn genug zusammengekommen ist, wird davon die nächste Runde bestellt.“
Johann stand auf. „Ich glaub, ich leg mich aufs Ohr.“
Der Preuße packte ihn am Ärmel. „Komm schon, wer wie ein Husar reitet, kann auch noch ein paar Runden verlieren, oder?“
Johann seufzte.
Dann setzte er sich wieder zu seinen Kameraden.
XII
Ein Donnerschlag riss Elisabeth aus ihrem traumlosen Schlaf. Schlaftrunken sah sie sich um. Im verrottenden Stroh lagen rund um sie die anderen Gefangenen, manche dicht aneinandergedrückt. Leises Schnarchen war das einzige Geräusch in der Finsternis, die nur von einigen Öllampen erhellt wurde, die an der Decke baumelten. Gerade so viel, dass die Wachen bei ihren Kontrollgängen die befohlene Ordnung überprüfen konnten.
Erste Regentropfen prasselten auf das Dach der maroden Scheune, anfangs vereinzelt und spärlich, dann immer schneller. Sie erzeugten einen Rhythmus, wie wenn tönerne Kügelchen auf einen Steinboden prasseln.
Elisabeth setzte sich auf und lugte durch einen Spalt in der Bretterwand. Sie sah die schwarze Silhouette eines Söldners, der Wache schob. Er fluchte leise, dann richtete er den Kragen seines Mantels auf und zog sich den Hut tiefer ins Gesicht.
Johann war noch nicht gekommen.
Hab Vertrauen.
Was, wenn ihm etwas zugestoßen war?
Das kann nicht sein.
Was, wenn er gar nicht kam?
Elisabeth presste ihre Hand gegen den Holzspalt. Je auswegloser ihre Gedanken wurden, umso stärker drückte sie zu, bis ein stechender Schmerz die Spirale aus Zweifel und Angst beendete. Reflexartig nahm sie die Hand zurück – ein Holzsplitter steckte in ihrem Daumen.
Sie zog ihn vorsichtig heraus, nahm den Daumen in den Mund und sog daran. Der eiserne Geschmack lenkte ihre Gedanken auf ihr eigenes Fleisch und Blut. Auf die Verantwortung, die sie in sich trug.
Auf das Einzige, was ihr im Moment von Johann geblieben war.
Vielleicht war es Zeit, weniger zu hoffen und mehr zu handeln?
Sie blickte wieder durch den Spalt in der Wand. Der Regen wurde immer stärker und hüllte die Nacht in ein dunstiges Kleid.
„Eigentlich liebe ich den Regen“, riss
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