Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
Wien erst wenige Tage zuvor ein bitteres Ende genommen hatte?
Ein schmieriges Lächeln erschien auf Sovinos Gesicht. „Ihr mögt zwar die Aufzeichnungen getilgt haben, aber das bedeutet nicht, dass man darüber nichts zu berichten weiß, respektive ich nichts darüber erfahren habe. Wie vom Schicksal meines Neffen.“
„Basilius Sovino“, flüsterte Tepser und dachte an den jungen Novizen, der immer stumm hinter dem Dominikaner Bernardus Wehrden hergewieselt war. „Es tut mir von ganzem Herzen leid. Wenn es Euren Schmerz lindert, sollt Ihr wissen, dass er nicht lange zu leiden –“
Mit einer Handbewegung ließ Sovino sein Gegenüber verstummen. „Erspart mir die erbärmlichen Floskeln über den schnellen Tod und seine Erlösung. Als Mann der Kirche weiß ich, dass dem nicht so ist, niemand stirbt im Augenblick. Das Erlöschen des Lebensfunkens ist erst der Beginn des eigentlichen Leidens.“
„Aber euer Neffe war –“
„Kein Wort mehr über meinen Neffen“, unterbrach Sovino Tepser erneut. „Er war das liederliche Kind meiner liederlichen Schwester und ihres noch liederlicheren Gatten. Er erweckte in mir immer das Gefühl, ich stünde einer Ratte gegenüber. Und so soll er ja auch gestorben sein: feig und liederlich.“
Sovino schmunzelte kurz, dann wurde er wieder ernst und sah Tepser durchdringend in die Augen. „Ihr wolltet mir gerade etwas über das Quarantäneviertel erzählen, das nie existiert hat.“
Als leidenschaftlicher Schachspieler wusste Tepser, wann ein Moment des Zugvorteils gekommen war. Dies war keiner, im Gegenteil, jetzt spielte er erst mal ein Gambit. „Sagt mir, wie ich Euch unterstützen kann.“
„Der Franzose ist mir einerlei“, bemerkte Sovino. „Mein Bestreben ist es, diese Krankheit, die zweifelsohne eine Plage des Teufels ist, zu tilgen. Deshalb befehlt Eurem fähigsten Mann, einen Stoßtrupp anzuführen, der den Franzosen aufspürt und die kranken Seelen von ihrem Leid erlöst. Ihr wisst, was ich damit meine.“
Tepser nickte.
„Gut so“, sagte Sovino kalt. „Es wäre mir nicht recht, weiter nachforschen zu müssen, wie es möglich war, dass Ihr und Eure Stadtoberen so eng mit von Pranckh zusammengearbeitet habt, ohne etwas von seinen Machenschaften zu ahnen.“
Tepser wurde blass. Sardonisch lächelnd drehte sich Sovino um und schritt zur Tür. „Informiert mich, wenn ich Euren Mann instruieren kann.“
X
Leutnant Wolff drückte sich an sein Liebchen, zog an seiner Pfeife und blies kleine Rauchkringel in die Luft. Es gibt nur eine Sache auf Gottes Erden, die schöner ist, als im Bett die Wärme einer Frau zu spüren, dachte er genüsslich.
Im Bett die Wärme von zwei Frauen zu spüren, schmunzelte er innerlich und drückte sein zweites Liebchen an sich, welches sich schlaftrunken an seine Brust kuschelte.
Die Luft war schwer von Rauch, Rotwein und frischem Schweiß. Der Raum wurde nur von zwei Wachskerzen erhellt, die gerade stark genug waren, um den verzierten roten Brokatstoff der Wandtapeten erahnen zu lassen.
Jetzt zu sterben wär gerade recht, dachte Wolff, als plötzlich die Zimmertür aufgestoßen wurde und ein Soldat der Rumorwache zackig in den Raum marschierte.
„Herr Leutnant, der Herr Bürgermeister persönlich verlangt nach Euch! Auf der Stelle!“
Wolff stieß einen schweren Seufzer aus, gefolgt von einem resignierenden Knurren. Er küsste erst die Frau zu seiner Rechten, dann die zu seiner Linken, schlüpfte in die Hose und legte einen Gulden aufs Bett.
„Maria, Anna – bis zum nächsten Mal, meine süßen Grabennymphen.“
Die beiden Damen warfen dem Mann Kusshände hinterher.
„Leutnant Wolff ist meiner bescheidenen Meinung nach der ideale Mann für diese heikle Aufgabe, Herr Visitator“, gab sich Bürgermeister Tepser großmütig. „Er hat sich bereits in jungen Jahren bewiesen, als er während der letzten Türkenbelagerung mit einem kleinen Trupp immer wieder aus dem belagerten Wien ausbrach, um den Gottlosen mit Kommandoaktionen schmerzhafte Nadelstiche zu versetzen.“
Kritisch betrachtete Sovino den Mann, der vor ihm und dem Bürgermeister Haltung angenommen hatte. Leutnant Georg Maria Wolff machte einen hartgesottenen Eindruck, war von drahtiger Statur, trug das Haar kurzgeschoren und war wohl bereits Mitte vierzig. Sein strammes Auftreten wirkte pflichtbewusst und seriös, allerdings verrieten die Lachfalten um seine Augen, dass er sein Privatleben wohl nicht so kartesianisch führte wie seinen Dienst.
Sovino
Weitere Kostenlose Bücher