Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
knurrte er und schleckte mit seiner Zunge ihren Hals hinauf. „Ich werd dir zuerst helfen.“
Der Fette löste den Knoten an der Schnur seiner Hose, die über seinen Wamst zu Boden glitt. Der Hagere kicherte Elisabeth ins Ohr und packte sie an den Schenkeln. „Und dann werd ich dir helfen.“
Der Fette griff sich in den Schritt und drückte ihre Beine auseinander.
Auf einmal begann Elisabeths Hals, ihr ganzer Körper zu pulsieren, verhasst, schwarz, schien ihr Kraft zu verleihen, schien ihr etwas einzuflüstern …
Für Johann.
Rasende Wut stieg in ihr hoch, ihre Wut, sie schwang ihren Kopf nach rechts und biss aufs Geratewohl zu. Einen Moment später spuckte sie dem Fetten den halben Mittelfinger und die Spitze des Zeigefingers seines Kumpanen ins Gesicht. Der Hagere schrie und ließ Elisabeth los.
Der Schrei schien das glühende Pulsieren ihres Körpers noch zu verstärken, sie zog dem Hageren den kleinen Feitel aus seiner Hüfttasche und stieß ihn ins Gesicht des Fetten. Im letzten Augenblick konnte der Mann seinen Kopf abwenden, das Messer trennte ihm das halbe Ohr ab. Er stieß einen markerschütternden Schrei aus, der Elisabeth zur Besinnung kommen ließ.
Was hast du getan?
Sie machte kehrt und flüchtete durch das schmale Holzgatter in die Richtung, aus der sie gekommen war. Die Leute, die ihr begegneten, blickten sie entsetzt an, aber sie rannte weiter.
Erst als sie glaubte, ihre Lungen müssten bersten machte sie Halt, blickte atemlos in einem Fenster ihr Spiegelbild an.
Die wild zersausten Haare, das Gesicht blutverschmiert.
Sie wusch sich in einer Lacke, so lang, bis sie das Gefühl hatte sich nicht nur das Blut, sondern auch das Geschehene abgewischt zu haben. Den Mund spülte sie sich ebenfalls aus und kaute ein paar Kräuter, die sie am Straßenrand ausgerissen hatte. Aber der eiserne Geschmack des Blutes blieb.
Langsam erkannte Elisabeth, was passiert war.
Sie hatte sie gebissen
Gebissen und angesteckt.
Sie dachte an die Schreie des Hageren, wie sie über den Hof gehallt waren, sich ausgebreitet hatten …
Ausgebreitet .
Ihr wurde speiübel, sie musste sich hinhocken und an der Hauswand abstützen.
Gebissen und angesteckt.
Jetzt war alles verloren.
LVIII
„Pater noster qui es in coelis …“
In der Kirche Maria am Gestade hatten sich die Gläubigen bereits seit mehreren Stunden versammelt, es war der Tag des Rosenkranzgebetes. Vier mal im Jahr wurde den ganzen Tag zum Wohl der Stadt und seiner Einwohner gebetet. Der Rosenkranz begann, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch die hohen Fenster fielen, und begleitete die Sonne bei ihrem Weg durch die Kirche, bis sie verschwunden war und nur mehr Kerzen das alte Gotteshaus erleuchteten.
Anna Dorfmeister saß in der vordersten Reihe, wie jedes Mal. Noch nie hatte sie den Tag des Gebets versäumt. Böse Zungen behaupteten, dass sie sonst auch nicht viel zu tun hatte – ihr Mann und die drei Kinder waren tot, gestorben an der Pest, und sie lebte von dem bisschen Ersparten, dass ihr der verstorbene Gatte hinterlassen hatte. Hie und da besserte sie ihr Einkommen mit Näharbeiten auf, aber auch das wurde immer weniger, weil ihre Augen immer schlechter und ihre Hände immer kraftloser wurden.
„Sed libera nos a malo …“
Aber noch hatte sie die Kraft zu beten, die schmalen Lippen murmelten unaufhörlich, die Augen folgten den Sonnenstrahlen, die fast unmerklich weiterwanderten und sich dem Altar näherten …
Die beiden Männer schleppten sich aus der engen Gasse auf den Grünmarkt und rissen Stofffetzen vom nächstbesten Stand ab, um ihre Blutungen zu stoppen. Eine beherzte Magd eilte herbei und wollte den Verletzten helfen, erntete jedoch einen Schlag ins Gesicht.
Die beiden torkelten weiter, wussten noch nicht ganz, wie ihnen eben geschehen war. Sie waren von einem Weib in die Flucht geschlagen worden, einem schwachen Weib, das sie auch noch verstümmelt hatte. Die Wunden brannten wie Feuer, der Fette sah alles wie durch einen roten Schleier.
Nachdem sie die Blutungen an Ohr und Hand gestillt hatten, machten sich die Männer, benommen vor Wut und Schmerzen, zu einer der billigen Spelunken auf, die entlang der Stadtmauer lagen.
Als sie den dunstigen Raum betraten, verstummte jedes Gespräch.
Der Wirt blickte kaum auf. „Ihr beide nicht. Kein Anschreiben mehr!“
„Bitte –“, krächzte der Hagere, das rabenähnliche Gesicht schmerzverzerrt, „wir –“
„Hinaus!“, brüllte der Wirt und gab zwei grobschlächtigen
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