Mord am Millionenhügel
und wechselte das Thema. »Merkwürdig ist ja auch der Professor.«
Sie warf mir einen mehrdeutigen Seitenblick zu. »Wie kommen Sie darauf?«
»Na ja«, sagte ich gedehnt, »ich will nicht über Ihre Nachbarn lästern ...
»Ach, stellen Sie sich nicht an, wir sind unter uns!«
Ich nahm die Aufforderung an und erzählte ihr vorsichtig von meinem Besuch im Hause Ahrenborn.
Sie verzog das Gesicht und nickte heftig. »Er ist ein absoluter Widerling. Ich glaube nicht, daß seine Frau in ihrer ganzen Ehe einmal gelacht hat. Seine Kinder wahrscheinlich auch nicht.«
Ich blickte sie verwundert an.
»Kinder? Ich dachte, Frau Morken wäre einziges Kind ...«
»Wie man's nimmt. Der Herr Abgeordnete ist ein Pflegesohn. Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie sind seine Eltern in der letzten Kriegszeit umgekommen, und die Ahrenborns haben ihn großgezogen.«
Ich pfiff leise. »Die Eheleute Morken sind also Pflegegeschwister? Könnte man ja fast als Adoptivinzest bezeichnen.«
Sie lachte und sah mich beinahe aufmerksam an. »Hören Sie mal, wie sind Sie denn an diesen dämlichen Interviewer-Job gekommen? Man könnte den Eindruck kriegen, daß Sie mehr im Kopf haben, als man dazu braucht.«
Selbstbewußtes Mädchen, dachte ich; dann beschloß ich, ein nicht ganz kalkulierbares Risiko einzugehen.
»Ach«, sagte ich wegwerfend, »von irgendwas muß man ja leben.« Nach einer kleinen Kunstpause setzte ich hinzu: »Ich hab Sprachen studiert und wollte immer
den
großen Roman schreiben; bisher hat's aber nur zu ein paar Krimis unter Pseudonym gereicht. Sie wissen schon, Heftchen. Zwischendurch muß man an die Flocken denken ...«
Sie rümpfte die Nase. »Scheiße, so was, ne?« sagte sie unverblümt.
Damit fiel sie aus der Sprache der Kaufmannstochter in die der Studentin. »Krimi ist überhaupt gut. Hör mal, wenn du hier mit dem Interviewen fertig bist ...«
Dann merkte sie, was passiert war, und brach ab. »'tschuldigung. Ist mir so rausgerutscht.«
Ich nickte. »Kann passieren, macht aber nichts. So lange bin ich noch nicht aus der Uni raus.«
»Okay. Also, wenn du hier fertig bist, dann – nee, andersrum. Wenn du schon mal Krimis geschrieben hast, traust du dir dann zu, wenn dir jemand ne wirre Geschichte erzählt, die vielleicht ein Krimi ist, da irgendwie was draus zu machen? Ich meine, nicht was zu schreiben, sondern vielleicht mit 'n bißchen Phantasie auszuklamüsern, was hinter komischen Einzelheiten stecken könnte?«
Ich tat, als müßte ich überlegen.
»Kann sein. Ich meine, es kommt natürlich drauf an. Nee, also das würd ich auf jeden Fall gern mal versuchen. Vielleicht kommt dabei ja tatsächlich mal ein vernünftiger Krimi raus, nicht irgendwas, was man an den Haaren herbeigezogen hat. Worum geht's denn?«
Plötzlich war sie wieder halb verschlossen. »Ach«, murmelte sie, »ich glaub, ich bin einfach zu vertrauensselig. Schließlich kenn ich dich ja gar nicht.«
Ich sah sie von der Seite an, räusperte mich und sagte halblaut: »Das können wir gern ändern ...«
Sie betrachtete mich forschend und rieb sich dabei die wohlgeformte Nase. Dann lächelte sie plötzlich. »Warum eigentlich nicht?« Sie musterte mich, aber es war nicht unangenehm. »Zieh dir bloß nicht so nen komischen Anzug an, wenn ...«
»Ah«, sagte ich, »für den Job hier muß ich. Ich versprech dir feierlich, für unser erstes Rendezvous treib ich ausgewaschene Jeans auf.«
Sie nickte. »Du mußt wahrscheinlich heute noch ein bißchen interviewen?«
»Mhm. Wann kommen denn deine Eltern?«
»Meistens gegen sieben.«
»Und der Herr Untermieter? Wie heißt er doch gleich ...«
»Ach«, sagte sie, »der schöne Hartmut. Der ist da. Er ist irgendwie krank. Ich weiß nicht, was er hat, jedenfalls war er schon länger nicht zur Arbeit und kommt nicht mehr in den Garten runter.« Es klang geringschätzig, vielleicht auch ein wenig bitter.
»Na ja«, sagte ich, »dann werd ich gleich mal bei ihm mein Glück versuchen und anschließend nebenan. Für deine Eltern komme ich später wieder. – Wieso wohnst du eigentlich zu Hause?«
»Warum nicht? Ich kann hier tun und lassen, was ich will, und keiner macht mir Vorschriften.«
»Und was ist das für ne wilde Kriminalstory, die du mir erzählen willst?«
»Ach, hier ringsum. Irgendwas ist hier faul, und zwar schon ziemlich lange. Aber das führt jetzt zu weit. – Komm, ich bring dich zum schönen Hartmut.«
Wir gingen ins Haus. Von hinten sah ich die Haare, das knappe weiße
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