Mord am Millionenhügel
allseitige Verschwägerung, die verschiedenen Reaktionen auf Stichfragen und Stichwörter, dazu meine nicht sehr weitgehende Kenntnis von Baltasars Überlegungen bei der Zusammenstellung des Fragebogens beschäftigten mich.
Am Nachmittag versuchte ich mehrmals vergebens, Moritz zu erreichen, der mir irgend etwas Dringendes erzählen wollte. Nach dem sechsten Versuch gab ich auf und machte mich auf den Weg. Ich fuhr mit der legendären U-Bahn (überirdisch) nach Bonn, wanderte zu meinem Wagen, den ich nachts lieber hatte stehen lassen, warf das an der Scheibe prangende Autogramm der Parksündersammler in den Gully und fuhr wieder zurück nach Godesberg.
Kurz vor vier klingelte ich noch einmal bei Morkens. Frau Morken öffnete mir die Tür und lächelte fast freundlich.
»Verzeihen Sie die erneute Störung, gnädige Frau«, sagte ich, »aber ich habe, glaube ich, bei Ihnen etwas vergessen.«
Sie nickte. »Moment bitte!« Es dauerte nur Sekunden, dann kam sie mit meinem Schreibutensil zurück. »Hier bitte. Kommen Sie voran?«
»Ja. Sie wissen ja, wie lange es dauert, bis ein Fragensatz ausgefüllt ist, aber ich komme ganz gut voran.« Ich zögerte; dann sagte ich: »Leider sind nicht alle Kandidaten so kooperativ wie Sie und Ihre Familie.«
Sie runzelte die Stirn und blickte nach rechts.
»Richtig«, sagte ich und deutete mit einem Neigen des Kopfes auf das Nachbarhaus. »Ihr Herr Vater hat leider nicht zugelassen, daß ich Ihre Mutter und Frau Weber befrage.«
»Tut mir leid«, sagte sie, und ich glaubte es ihr. »Mein Vater ist kein sonderlich ... Na ja, man kann mit einigen Leuten besser zusammenleben als mit ihm. Hoffentlich haben Sie mit den anderen keine Probleme – oder sind Sie etwa gestern abend fertig geworden?«
»Nein, leider noch nicht. Jedenfalls danke ich Ihnen nochmals für Ihre Freundlichkeit.«
Sie lächelte. »Oh, bitte sehr. Ich wünsche Ihnen, daß Sie keine weiteren Probleme haben.«
Diesmal nahm ich den rechten Weg und ging bis zum Ende. Das dritte Haus in dieser Reihe gehörte dem Pelzhändler Grossek. Anders als die sonstigen Anwohner hatten die Grosseks die erste Etage unterteilt und die eine Hälfte zu einer Mietwohnung gemacht, in der seit einiger Zeit der angeschossene Hartmut Burger wohnte.
Ich fand zwei Klingelknöpfe an der Tür und schellte zunächst bei Grossek. Es war zwar noch früh, aber die Tochter war zu Hause. ›Die nächste Blondine‹, dachte ich, ›und der Tag ist noch so lang.‹
Barbara Grossek, 21, studierte Betriebswirtschaft und wollte später einmal das große Geschäft ihrer Eltern samt der bereits existierenden und noch zu gründenden Filialen übernehmen.
Sie war ein wenig größer und kräftiger als die anderen Blondinen der Umgebung; außerdem erschien sie mir intelligenter als zumindest einige der anderen.
Sie bat mich auf die Terrasse und machte Kaffee; dann schritten wir zur Befragung. Ich konnte keine besondere Reaktion auf irgendeine Frage erkennen; ob sie vielleicht bei einem der Sätze nach Diktat reagiert hatte, würde Baltasar selbst auswerten dürfen. Kurz nach halb fünf waren wir schon fertig.
Ich lehnte mich im bequemen Korbsessel zurück. »Schön haben Sie's hier«, sagte ich. Der Parkgarten wirkte aus dieser Ecke noch besser als aus der anderen, die ich gestern gesehen hatte.
Sie nickte und blickte zu den durch das Laub der Bäume schimmernden Häusern hinüber. »Ja«, sagte sie, »vor allem sieht man die Nachbarn nicht dauernd.«
Ich grinste. »Das klingt, als wären Sie ganz froh darüber.«
»Das können Sie nehmen, wie Sie wollen.«
»Ich fand sie eigentlich alle ganz nett, bis auf ...« Ich machte eine kleine Pause.
Sie sah mich scharf an. »Bis auf wen?«
Dann schaute sie wieder weg; ich konnte die Richtung nicht so genau sehen, aber ich glaube, sie blickte auf das Haus der Kleinsiepes beziehungsweise des abwesenden Herrn Pistorius.
»Na ja«, sagte ich vorsichtig, »die Tussi da drüben übertreibt's ein bißchen.« Auf den Busch klopfen heißt das, glaube ich.
Barbara Grossek verzog den Mund. »Bißchen ist gut«, murmelte sie.
Bevor sie aus der redefreudigen Stimmung in eine andere geraten konnte, setzte ich hinzu: »So was kann wohl ziemlich ärgerlich sein ...«
Sie kaute auf der Unterlippe. »Sie sind mir ja fast sympathisch«, sagte sie dann. »Die meisten Männer fallen prompt auf diese Nymphomanin rein.«
Mit dem Feingefühl, das mir manchmal eigen ist, bemerkte ich, daß in ihr eine Jalousie runterging,
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