Mord am Millionenhügel
afrikanischen Fragen und bemerkte, ein Interview mit einem verantwortlichen Menschen des Auswärtigen Amts zur deutschen Afrikapolitik müßte mit einer bestimmten Frage beginnen, und zwar »Warum hat die Bundesrepublik keine Afrikapolitik?« Er versprach, mich demnächst zu besuchen, und verabschiedete sich, weil zwei Bekannte, mit denen er verabredet war, eintrafen und sich an einen Tisch setzten.
»Ach ja«, sagte Moritz wehmütig und schon leicht angeschlagen, »Bonn hat den Vorteil, daß man hier schneller seine Illusionen verliert als an anderen Orten, wo man nicht dauernd irgendwelche Kanaillen am Tresen sieht.«
Es war laut genug; trotzdem kam keine Reaktion.
Später, als sie genug hatten, ließen sie den Mann hinterm Tresen drei Wagen der Bereitschaft des Bundestags für die Abgeordneten X, Y und Z bestellen, zahlten und gingen.
»Unser Geld«, sagte Moritz düster und weinerlich.
Inzwischen hatten wir einen kleineren Kriegsrat gehalten; ich hatte ihm erzählt, daß mir der Professor und die Nymphe wie Kinofiguren, der Abgeordnete wie ein Gangster und die ganze Stimmung irreal vorgekommen sei. Ich bat ihn, seine diversen Informationskanäle anzuzapfen, um wenigstens über Morken etwas zu erfahren.
Er kicherte. »Werd ich. Ich bin morgen sowieso mit einem Kollegen vom Funk verabredet, der ist Spezialist für Politklatsch. Von dem hab ich ein paar günstige Stories gehört ...« Dann erzählte er eine lange Geschichte von einem Abgeordneten der Union, gegen den hinter den Kulissen eine Untersuchung vorbereitet wurde.
»Ich glaub, er weiß es, aber keiner sagt es ihm, und natürlich sagt jeder allen anderen was. In Bonn hält ja nichts und niemand dicht, wie allgemein bekannt ist. Dieser günstige Umstand erleichtert das Leben und die Arbeit ungeheuer und macht außerdem Spaß. Im Moment versuchen alle Seiten, alles mögliche zu vertuschen. Nach den Wahlen ist verschärfte Hetzjagd angesagt. Wird lecker. Aber sonst läuft jetzt auch schon genug. Zum Beispiel ...«
Dann kam die Geschichte von einem illustren SPD-Mann mit sehr akademischem Titel, hohem Parteiamt und Sprachfehler. »Den hab ich vor einiger Zeit auf ner Fete getroffen; er wollte die Gastgeberin anmachen. Hat aber nicht geklappt. Jedenfalls ist er bis morgens um vier dagewesen und hat ganz schön zugeschlagen. Hat sich richtig sauber einen geballert. Als er gehen will, fragt irgendwer ihn, ob er 'n Taxi braucht. Sagt er: ›Nein, danke, mein Fahrer wartet unten.‹ Seit abends um neun. Manchmal glaub ich, römische Sklaven sind von ihren Besitzern besser behandelt worden als die Werktätigen heute von ihren sogenannten Vertretern. Aber der Knacker ist sowieso ein Bock; greift allen unter die Röcke und nagelt alles, was sich nicht wehrt. Auf ner andern Fete neulich war's schon ganz gemütlich, da hat er mit einer scharfen Frau getanzt. Plötzlich greift er ihr, auf der Tanzfläche, und wir konnten's alle sehen, in die Bluse und sagt: ›Sehr schön. Gehn wir nachher zu mir?‹ Wir waren alle ein bißchen baff; ich meine, der Mann will ja doch gewählt werden. Die Tante war aber clever. Greift ihm in die Hose und sagt: ›Herr Prof, das reicht mir nicht.‹ Darauf kriegt er ne Bombe und rauscht raus. Wir haben applaudiert und uns totgelacht.«
Nachdenklich nahm er seinen letzten Schluck, rülpste und sagte: »Du siehst, sie sind alle gleich, beide Seiten. Was soll man eigentlich wählen? Eigentlich macht sogar der Kandidat die Sache nicht negativ einfach. Auswandern ...«
Er wollte mir noch etwas Wichtiges erzählen, konnte sich aber durch den Alkohol hindurch nicht mehr erinnern, was es war. Wir verabredeten ein Telefonat für den nächsten Morgen, dann wankte Moritz von hinnen. Ich durfte seine nicht eben kärgliche Rechnung begleichen. Dafür leistete ich mir ein Taxi nach Hause. Leider steht mir der Bereitschaftsdienst des Bundestags nicht für Fahrten zur Verfügung.
Ich beendete diesen Dienstag mit einer gewissen Nachdenklichkeit. Ich muß zugeben, daß ich allmählich an Matzbachs Nase zu glauben begann. Etwas war faul, aber andererseits war alles viel zu theatralisch.
7. Kapitel
Den Mittwochvormittag verbrachte ich mit Denken, mit großem D. Das ist ein Verfahren, welches bei den meisten Leuten dann einreißt, wenn es dafür zu spät ist. Ich wußte nicht, ob es vielleicht schon zu spät war; jedenfalls bemühte ich mich, die Eindrücke des gestrigen Tages zu verarbeiten. Die ziemlich ausgefallenen Verhaltensweisen und die
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