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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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gespannt, wie das wird, wenn er wieder hier ist.«
    Hier hatte ich also die Inkarnation der Wochenendzeitungen vor mir. Sie plapperte und plapperte; ich erfuhr tausend Dinge über Leute, die ich nicht kannte und von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Zwischendurch versuchte ich vorsichtig, mit ein paar Fragen wieder in diese sechs Villen zu gelangen, aber dabei kam nichts mehr heraus.
    Als wir endlich den Bogen voll hatten und ich mich mit Dank verabschiedete, war es bereits kurz nach sieben. Ich bat nach einem Blick auf meine Uhr darum, ein Ortsgespräch führen zu dürfen. Wohlweislich stellte ich mich so, daß die kleine Klatschbase nicht etwa sehen konnte, welche Nummer ich wählte. Außerdem verzichtete ich darauf, meinen oder den Namen von Ariane Binder zu nennen, der ich nur kurz mitteilte, daß es ein wenig später werden könnte.
    Gegen Viertel nach sieben klingelte ich bei Pallenberg. Hier ging alles sehr schnell. Karl Pallenberg, 49, Bauunternehmer, war ein massiger Mann, dessen Hände zeigten, daß er durchaus noch selbst mit anpackte, obwohl er mittlerweile über hundert Leute beschäftigte. Er hatte vor etwa zwanzig Jahren diese sechs Häuser gebaut. Fragen zu alten Beziehungen mit Nachbarn gehörten leider nicht zum Katalog. Er war zweimal verheiratet gewesen und beide Male erfolgreich geschieden worden; beide Frauen waren wieder verheiratet, Kinder hatte es nur in der ersten Ehe gegeben, und die waren mittlerweile alt genug, so daß er keine Alimente mehr zu zahlen hatte. Finanziell, körperlich und geistig gesund, das war mein Eindruck, und vor allem ganz normal.
    Er lebte seit einiger Zeit mit seiner ehemaligen Mitarbeiterin Gudrun Lorenz zusammen. Eine stämmige Frau, üppig und blond, fröhlich, mit schneeweißen Zähnen, 34 Jahre alt; sie hatte kurze Zeit die Buchhaltung in Pallenbergs Unternehmen geleitet und überprüfte noch immer alle wichtigen Abrechnungen; dreimal pro Woche verbrachte sie jeweils den Vormittag in seinem Büro. Auch sie war geschieden. Im Vergleich zu einigen der verdrehten Akademiker, mit denen ich in den beiden vergangenen Tagen zu tun gehabt hatte, erschienen mir beide äußerst sympathisch, normal, aktiv, weder weinerlich noch versponnen. Sie waren sehr schnell bei der Ausfüllung der Fragebögen, zwischendurch bekam ich noch einen Teller mit Schnittchen hingestellt, und als ich ging, gegen halb neun, bedankte ich mich herzlich, und zwar ehrlichen Herzens.
    Als ich wieder vor der Tür des Grossekschen Hauses stand, hoffend, nun die Eltern zu erwischen, fand ich einen Zettel an der Klinke. Die Handschrift kam mir bekannt vor, bis ich mich stumm einen Trottel schimpfte: Es war die Handschrift von Barbara Grossek, die ich ja am Nachmittag beim Diktat kennengelernt hatte. Die Nachricht war kurz und lakonisch: Alles ausgeflogen, Theaterabo. Bis Freitag. B. G.
    Seufzend stieg ich in meinen Wagen und überlegte, ob ich allen Ernstes einen dritten Abend opfern sollte, um Baltasars verfluchte Bögen zu füllen.
    Kurz vor neun fand ich in Plittersdorf einen Parkplatz fast genau vor dem Haus, in dem Ariane Binder wohnte. Sie hatte eine hübsch geschnittene, aber nicht allzu große Mietwohnung im Parterre des Hauses, das um die Jahrhundertwende gebaut war und hohe Decken aufwies, von denen vor Jahren irgendein Verbrecher den Stuck abgeschlagen hatte, weil er ihm wohl unmodern vorgekommen war. Ihr Blond war schon von einigen Silberfäden durchzogen, die zu färben sie für überflüssig hielt. Sie leitete die Bonner Pressestelle eines bedeutenden Wirtschaftsverbandes, ungewöhnlich für eine Frau in diesen männlich kontrollierten Kreisen, und ich machte eine entsprechend respektvolle Bemerkung.
    »Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.« Sie lächelte.
    »Mao Tse-tung«, sagte ich.
    Das Lächeln stand ihr gut, und die kleinen Falten in ihrem Gesicht erschienen mir als schön. Das Gesicht empfand ich als fast klassisch geschnitten und ausdrucksvoll: leicht gebogene Brauen, eine hohe Stirn, grüne Augen, eine gerade Nase, volle geschwungene Lippen und ein kräftiges, aber nicht aufdringliches Kinn – ich entschloß mich zu einer Frechheit.
    »Ich bin ein wenig unschlüssig, Madame«, sagte ich.
    »Inwiefern?« Sie zündete sich einen dünnen, schwarzen Zigarillo an. Er paßte gut zwischen ihre schlanken, schmucklosen Finger.
    »Nun, ich erkenne mit Überraschung an, pardon, daß Baltasar einen vorzüglichen Geschmack besitzt. Da er aber ein widerliches Geschöpf ist, fällt

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