Mord am Millionenhügel
dein von Schwemmgut, Lektüre und anderen Schadstoffen verstopftes Gehirn nicht in der Lage, die richtigen Schlüsse aus unwichtigen Dingen zu ziehen. Berichte also, o günstiger Mastbauch, auf daß wir es wissen.«
Matzbach schnaufte und sah Ariane weinerlich an. »Hörst du, wie meine lieben Freunde, die ich an meinem Busen genährt und mit meinem Herzblut getränkt habe, hörst du, wie sie mit mir umgehen? Ist das nicht widerlich? Ach, die Welt ist schnöde.«
Frau Binder wedelte mit einem Zipfel ihres Saris vor seiner fleischigen Nase herum. »Ich finde«, sagte sie spöttisch, »daß deine lieben Freunde ganz recht haben. Ich wüßte nämlich auch gern, was du gefunden hast.«
»Aha, eine Verschwörung. Nun gut, ihr werdet schon merken, was ihr nicht davon habt. – Also, zuerst die beiden Ärzte. Sie haben mir übereinstimmend erzählt, Ahrenborn sei clever und kalt gewesen, aber ein Mediziner mit Zukunft. Aus der Studentenzeit war nicht viel zu berichten – die üblichen Gelage, Streiche, Fechtereien, Bordellbesuche und so. Die erste ernsthafte Arbeit, abgesehen vom Famulieren, hat Ahrenborn in seiner Heimat verbracht, diesem kleinen Dorf bei Eger. Da gab es ein Landkrankenhaus, mitten im Wald, mit einem alten, schon etwas senilen Chef. Ahrenborn war der einzige Assistent, abgesehen von einem sehr tüchtigen Pfleger namens Morken, der beinahe Arzt hätte sein können, bis auf ein paar fehlende Papiere. Die beiden Kommilitonen haben Ahrenborn dort unabhängig voneinander mehrmals besucht. Dann wurden sie ins Feld bestellt. Der eine als Truppenarzt an die Ostfront, der andere mit einer Sanitätsabteilung nach Italien. Der aus Bayreuth sagt, er hätte sich bei seinem letzten Besuch ein wenig gewundert. Er hatte in Italien, als da die Sache zu schwimmen anfing, eine kleine Verletzung abbekommen und eine Weile in der Heimat verbracht. Anfang vierundvierzig ist er bei Ahrenborn vorbeigefahren, der immer noch in seinem Krankenhaus saß. Der Chef war inzwischen völlig vertrottelt, so daß Ahrenborn praktisch allein war und tun und lassen konnte, was er wollte. Übrigens hatte Ahrenborn einen Bruder bei der Gestapo; vielleicht hat der dafür gesorgt, daß Ahrenborn an diesem Krankenhaus bleiben konnte und weder wechseln noch an die Front mußte. Na ja, egal. Jedenfalls hat der eine Kollege sich gewundert. Ahrenborn hatte nicht sehr viel zu tun, und als der Kollege Anfang vierundvierzig bei ihm war, war ein Teil des Krankenhauses belegt mit russischen Kriegsgefangenen. In der Nähe war ein Lager.«
Matzbach machte eine Pause, bedeutungsschwer. Ich wollte etwas sagen, aber Moritz war schneller.
»Komisch«, sagte er, »russische Kriegsgefangene? Ich denke, die haben unsere Ahnen damals zu Millionen verrecken lassen oder gleich umgelegt. Außerdem hat es doch bestimmt, wenn überhaupt, Sanitätsstellen im Lager gegeben …«
Baltasar nickte. »Kluges Kerlchen. Der Kollege meint, er hätte sich gewundert, unter anderem, weil er Ahrenborn nicht gerade für einen Apostel der Humanität gehalten hat. An Ahrenborns Frau erinnert er sich kaum; sie war ein verhuschtes Wesen, eine Person, die man vergißt, sobald sie stumm den Tee aufgetragen hat. Die Aussagen des anderen sind im übrigen ähnlich. Der Pfleger hat beide beeindruckt. Er war älter als Ahrenborn, und die beiden waren dicke Freunde, per Du. Die Kollegen hatten beide den Eindruck, daß Morken der stärkere von beiden war, und daß Ahrenborn viel auf seine Ratschläge gab. An die Tochter erinnern sich beide kaum, dafür aber an den Sohn von Morken. Beide sind offenbar bei ihren diversen Aufenthalten mit Morken und Ahrenborn in den weitläufigen Waldungen auf die Jagd gegangen. Immer, sie wissen allerdings nicht mehr, wie oft insgesamt, aber immer sei der Junge dabeigewesen. Sie schildern ihn als einen aufgeweckten, kräftigen Burschen, der kaltblütig genug war, aus kurzer Entfernung einen Keiler zu erledigen, nachdem einer der Gäste ihn verfehlt hatte und das Tier auf – ich glaube, es war der aus Frankfurt, also, auf den aus Frankfurt losging.
Nach dem Krieg haben sie sich dann aus den Augen verloren, eine ganze Weile jedenfalls, und die alten Beziehungen nicht wieder aufgenommen. Sie haben sich schon mal auf Kongressen getroffen oder Publikationen von Ahrenborn gelesen, aber beide hatten eigentlich keine große Lust, ihn unbedingt wiederzusehen.«
An dieser Stelle kam Evelyn wieder und verkündete, es sei angerichtet. Wir gingen ins Eßzimmer, wo für
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