Mord am Millionenhügel
von seinem Mund. Du sorgfältiger Rechercheur, du.«
Na schön; weiter im Text. (Übrigens, um Mißverständnissen vorzubeugen: Den Schmiß hatte Moritz entdeckt.)
Der zweite Teil der Telefonaktion unter Kollegen betraf Haselmaus Brockmann. Edgar durchforstete die Ärzteschaft von Dortmund und Hannover. »Guten Tag, Herr Kollege. Ich habe hier einen Patienten namens Brockmann, der einige merkwürdige Symptome zeigt, die auf (es folgt ein graecolatinischer Fünfzehnsilbler) hindeuten. Ich komme aber mit der Anamnese nicht sehr weit, da der Patient sich nur undeutlich erinnert. Allerdings meint er, er wäre vor Jahren einmal von der Firma Soundso aus bei Ihnen gewesen. Er ist nicht sicher, aber der Vertrauensarzt der Firma habe, meint er, geheißen wie Sie. Ach, Sie sind es nicht? Ja, an die Firma habe ich mich kürzlich schon gewandt, aber die hat heute einen anderen Vertrauensarzt, vor allem eine andere Personalabteilung, und die alten Unterlagen sind vor einigen Jahren bei einem Schwelbrand vernichtet worden …«
In Hannover fand sich niemand, in Dortmund immerhin ein Zahnarzt, der Brockmann vor drei Jahren behandelt hatte. Er hatte, als Baltasar diesen Bericht abgab, bereits Aufnahmen und einen kurzen Report an Edgar geschickt. So weit Edgar und sein Telefon. Baltasar hatte schon kurz nach Beginn seiner Suche, als er den abgelaufenen Paß stibitzte, einen anderen Entschluß gefaßt, der mit seiner Reiselust zu tun hatte. Er beschaffte sich, ohne mir etwas zu sagen, ein Einreisevisum in die Tschechoslowakei, das er wider Erwarten schnell und problemlos erhielt. Über Frankfurt und Bayreuth, wo er die beiden Arzte überfiel, fuhr er nach Eger und von dort zu verschiedenen kleinen Dörfern, die in der Vorgeschichte einiger Personen eine Rolle spielten. Zwar rechnete er damit, niemanden mehr zu finden, der sich an wen auch immer erinnerte, da der deutschsprachige Teil der weiland dort lebenden Bevölkerung geflohen, vertrieben oder umgekommen war; er hoffte jedoch wie üblich auf die mit ihm verbündete Göttin des Zufalls.
»Vor meiner Abreise habe ich noch ein Dutzend Briefe geschrieben, in einer meinen Onkel Brockmann betreffenden Erbschaftsangelegenheit, an das Rote Kreuz und andere Institutionen, die sich mit der Suche nach Kriegsvermißten befassen. Ich hoffe, daß in meinem Domizil Antworten liegen. Außerdem habe ich natürlich, denn ich bin ein pflichtbewußter Mensch, meinen Kummerkasten für die beiden nächsten Nummern fertiggemacht. Wahrscheinlich liegen schon wieder Berge von Problemchen da rum.«
Für Evelyn war der Punkt offenbar neu. »Was ist das für ein Kummerkasten, Baltasar?«
Er strahlte sie an. »Ich«, sagte er großväterlich, »bin Frau Griseldis.«
Sie kicherte und nannte den Namen der Zeitschrift.
»Genau«, sagte ich, »dort verbricht Baltasar Griseldenbach Woche für Woche unqualifizierte Ratschläge. Nicht alle Briefe hat er selbst erfunden, nur die meisten.«
»Ist das wahr, ja?«
Baltasar schüttelte verweisend sein Kinn. »Nein. Im Schnitt gibt es bis zu tausend Zuschriften pro Woche. Ein Team in der Redaktion sortiert sie vor, bearbeitet sie und beantwortet einen Teil. Die meisten sind Standardfragen, dumm, oder Scheinprobleme, und zu den meisten gibt es Standardantworten. Ich kriege dann immer so um die fünfzig, die entweder besonders ausgefallen sind oder von besonders allgemeiner Bedeutung. Davon suche ich vier oder fünf raus, die abgedruckt werden mit meiner psychologisch feinfühligen Antwort; zu den anderen diktiere ich auf Band die Antworten, die dann in der Redaktion abgeschrieben und als Briefe verschickt werden. Zufrieden?«
Evelyn wollte natürlich noch mehr wissen, aber ich mischte mich ein.
»Verzeihung«, sagte ich mit einem Blick zur Tochter des Hauses, »aber ich glaube, du solltest uns erst mal ein bißchen mehr über deine Reise erzählen.«
Baltasar hustete. »Nun habe ich schon eine halbe Stunde geredet, und mein Licht ist dir noch immer nicht genug?«
»Quatsch, Licht. Du hast ein bißchen über Vorbereitungen gelabert. Ich würde gern. wissen, was bei deiner Tour rausgekommen ist.«
Evelyn verzog enttäuscht das Gesicht. »Na schön«, sagte sie schmollend, »dann mach ich jetzt das Essen fertig.«
Baltasar starrte mich finster an. »Meinst du«, sagte er herablassend, »wenn ich etwas wirklich Wichtiges entdeckt hätte, hätte ich das nicht schon längst herausposaunt?«
Moritz stöhnte und kam mir zu Hilfe. »Vielleicht«, sagte er, »ist
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