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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Zeitung, oder als Brief?«
    »Das«, sagte er entschieden, »kommt ungekürzt in die Zeitung, sonst lege ich den Griffel nieder. Meine Antwort: ›Liebe X.Y. Da Ihre Entscheidung innerlich schon feststeht, möchte ich mich nicht mit Ihnen auf moralische Diskussionen einlassen; da wären Sie mir ohnehin überlegen. Nur so viel: Wenn Sie nicht mit Ihrem Chef nach Spanien fahren, sollten Sie sich einen neuen Job suchen. Da Sie aber wohl nach Spanien fahren wollen, empfehle ich Ihnen, die Pille oder sonst etwas zu nehmen. Erstens entkrampft das ein Büroverhältnis ungemein. Zweitens wären eventuelle Kinder bestimmt nicht so süß, bei der Mutter. Drittens wären Sie in dem Fall im Januar vielleicht im vierten Monat, und das kann einem das schönste Wochenende und den potentesten Chef versauen. Am besten fahren Sie allein nach Spanien. Sie können ja die Schreibmaschine mitnehmen, als Ersatz. Schicken Sie mir eine Ansichtskarte. Ihre Verzweiflung sollten Sie lieber herunterschlucken. Sie werden daran nicht sterben, sie ist nämlich kein Gift.‹ Na?«
    »Sehr treffende Bemerkungen, Euer Liebden. Ich stelle fest, unsere Demokratie bietet zahllose Möglichkeiten, durch unqualifiziertes Gerede Geld zu verdienen.«
    »Ja, nicht wahr? Nur sind unsere Minister viel besser bezahlt als ich.«
    Er wühlte weiter, ich las weiter. Eine ganze Weile später erfüllte sich seine Rede von den ihn begünstigenden Zufällen auf geradezu unheimliche Weise. Er stieß einen schrillen Pfiff aus.
    »Na, so was! Das ist ja unglaublich. He, hör mal: ›Liebe Frau Griseldis! Sie werden sich vielleicht über meinen Brief wundern, aber ich bin eine alte, einfache Frau, und ich weiß nicht, was ich machen oder an wen ich mich sonst wenden soll. Seit vielen Jahren bin ich mit einem netten, gleichaltrigen Mann befreundet. Er heißt Pistorius und wohnt in Godesberg. Mitte September wollten wir gemeinsam in den Süden fahren. Vor vier Wochen schrieb er mir, er hätte in seiner Nachbarschaft merkwürdige Dinge herausgefunden. In den nächsten Tagen würde ich von ihm einen verschlossenen Brief in einem anderen Umschlag bekommen, den sollte sich, falls ihm etwas zustößt, der Polizei übergeben. Dann habe ich nichts mehr von ihm gehört. Zuerst habe ich mir keine Sorgen gemacht, denn er hat nie sehr viel geschrieben, meistens zweimal im Monat. Aber als der angekündigte Brief nicht kam, habe ich mir doch Sorgen gemacht. Ich habe ein paarmal bei ihm angerufen. Schließlich habe ich dann mit einer jungen Frau gesprochen, die bei ihm im Haus wohnt, ich glaube, zusammen mit ihrem Mann. Sie sagte, er wäre verreist. Das konnte ich nicht glauben, denn er hätte mir doch etwas gesagt. Ich habe dann noch einige Tage auf ihn gewartet, weil ich dachte, vielleicht ist er wirklich verreist, dann schickt er mir bestimmt eine Karte, um sich zu entschuldigen; aber bisher ist nichts gekommen. Ich weiß jetzt wirklich nicht, was ich machen soll, und ich bin sicher, ihm ist etwas zugestoßen. Können Sie mir raten? Soll ich damit zur Polizei gehen? Oder meinen Sie, ich werde nur ausgelacht? Bitte antworten Sie mir schnell!‹ Was sagst du dazu?«
    Ich war längst aufgestanden und sah ihm über die Schulter, während er las, weil ich es zunächst nicht glauben konnte. Dann setzte ich mich auf das Sofa.
    »Das ist nicht zu glauben«, sagte ich schwach. »Pistorius, der nette alte Witwer. Jetzt wird es ganz kompliziert.«
    Wir dachten eine Weile nach. Baltasar zündete sich eine seiner Zigarren an.
    »Also, den Brief, den er schicken wollte, hat sie nicht bekommen. Vielleicht ist er verlorengegangen, das kommt natürlich vor. Vielleicht konnte er ihn aber nicht mehr abschicken.«
    Er stürzte sich mit Feuereifer auf die Sache. Ich versuchte, ihn zu bremsen, obwohl ich das gleiche dachte wie er.
    »Vielleicht ist er ja tatsächlich ohne die alte Dame weggefahren.«
    »Du bist tadelnswert«, sagte Baltasar vorwurfsvoll. »Deine Einwände kommen immer zum falschen Zeitpunkt.«
    Er kaute auf einem Bleistift herum, dann sog er wieder an seiner Zigarre.
    Schließlich, nach längerem Schweigen, sagte er: »Hilft nichts. Entweder er lebt und macht Ferien. Dann müßte aber irgendwer mal von ihm Post bekommen haben, oder nicht? Na ja, nicht unbedingt. Aber gehen wir mal davon aus, er hat was rausgekriegt. Was, spielt zunächst mal keine Rolle. Dann haben sie ihn vielleicht auch umgebracht. Wer, spielt zunächst auch keine Rolle. Wer immer ihn auf dem Gewissen hat, hat zweifellos

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