Mord am Millionenhügel
zündete sich nun doch seine Zigarette an und stieß eine große Wolke aus. »Hören Sie«, sagte er heiser, »Sie wissen, daß Sie gesetzlich verpflichtet sind …«
Baltasar unterbrach ihn. »Sie hören zu«, sagte er. »Ich lege Ihnen einen Haufen unbeweisbarer Hypothesen hin, die nur deshalb unbeweisbar sind, weil wir armen Amateure nicht einfach das BKA anrufen und Informationen anfordern können. Wenn Sie in dieser Sache weiterkommen, dann nur, weil wir Ihnen genug Stoff gegeben haben, mit dem Sie arbeiten können. Schweigen Sie also über Ihre sogenannten gesetzlichen Verpflichtungen. Wir haben schon wesentlich mehr getan, als irgendein Gesetz verlangt. Oder erlaubt. Wir nehmen Ihnen praktisch die Arbeit ab. Dafür könnten Sie wenigstens so höflich sein, mich in meiner eigenen Wohnung mit ›Herr Matzbach‹ anzureden. Oder haben Sie vielleicht schon irgendwas Positives getan? Ist der vor zwei Wochen von seiner Vermieterin als vermißt gemeldete Brockmann vielleicht von Ihnen gefunden worden? Im Gegenteil: Sie haben gelacht, als Moritz Ihnen letzte Woche mitteilte, daß eine Barbara Grossek verschwunden ist.«
Ziegler schluckte. »Darf ich Ihr Telefon benutzen, Herr Matzbach? Ich würde gern feststellen, ob sich im Fall Brockmann etwas getan hat, und einige andere Dinge.«
Baltasar grunzte und schob ihm den Apparat hin. Der Hauptkommissar rief einen seiner Mitarbeiter an, diktierte ihm eine Liste mit Namen – Ahrenborn, Morken, Kleinsiepe, Pistorius, Grossek, Treysa, Pallenberg, Brockmann – mit der Bitte um schleunige Beschaffung von Dossiers. Dann ließ er sich mit einem anderen Beamten verbinden, den er nach der Behandlung der Vermißtenanzeige Brockmann fragte. Schließlich gab er Baltasars Telefonnummer durch mit der Aufforderung, ihn dort umgehend anzurufen, sobald Neuigkeiten oder der Obduktionsbefund vorlägen.
Baltasar tat so, als gehe ihn das alles nichts an. Er holte ein Buch aus dem nächststehenden Regal und begann interessiert zu lesen.
Der Hauptkommissar starrte Löcher in die Luft. Er trommelte auf der Tischplatte, dann räusperte er sich.
»Ich möchte mich entschuldigen, Herr Matzbach«, brachte er hervor.
Baltasar klappte das Buch zusammen und lächelte freundlich. »Was nun?« sagte er.
Ziegler grinste plötzlich. »Sie sind 'ne Nummer!« Er schüttelte den Kopf.
Baltasar verzog keine Miene. »Kann ich also weiter mit Ihrer loyalen Mitarbeit rechnen?« sagte er.
Ziegler schnappte nach Luft. »Jetzt hören Sie mal! Wenn Sie ...«
In diesem Moment klingelte das Telefon. Baltasar nahm grinsend ab.
»Matzbach. – Moment.«
Er reichte Ziegler den Hörer. Der knurrte ein paar Unverständlichkeiten in die Muschel, sagte »Danke« und legte wieder auf. Nachdenklich blickte er zum Fenster.
»Hm«, sagte er, »also, um's kurz zu machen: Barbara Grossek ist nach erster Analyse etwa hundert Stunden tot. Genaueres wird sich bei weiteren Untersuchungen herausstellen. Das könnte heißen: zwischen Mittwoch abend und Donnerstag mittag. Todesursache wahrscheinlich ein Kleinkaliberprojektil, das aus kurzer Entfernung ins Herz geschossen wurde.«
Baltasar nickte. »Wieso wahrscheinlich?« sagte er dann.
»Sie hat außerdem eine Schädelfraktur. Es wird sich noch zeigen, ob sie vielleicht schon daran gestorben ist. Vielleicht hat man sie bewußtlos schlagen wollen, um sie in Ruhe erschießen zu können.«
Baltasar nickte abermals ruhig. »Sie wissen«, sagte er freundlich, »daß Kleinsiepe eine Pistole besitzt?«
Ziegler knurrte: »Ich weiß sogar, welches Fabrikat. Und ich sage Ihnen weiterhin, daß eine ballistische Untersuchung des Projektils bereits läuft. Nur, damit Sie nicht fragen müssen. Ich sag's Ihnen auch so.«
Er stand auf. »Wenn Sie wollen«, sagte er dann, an Baltasar gewandt, »kommen Sie mit.«
Baltasar stand ebenfalls auf. »Wohin?«
»Ich will mich ein wenig auf dem Millionenhügel umsehen, zum Beispiel bei Kleinsiepe. Ich möchte seine Pistole untersuchen.«
»Das ist sicherlich ein guter Einfall, Herr Hauptkommissar«, sagte Matzbach lächelnd, »und dürfte Ihrer Karriere förderlich sein. Ich zöge es allerdings vor, Sie nicht zu begleiten.«
Ziegler ignorierte die Beleidigung. »Warum?«
Baltasar verschränkte die Arme über der Brust. »Weil ich glaube, daß es besser ist, wenn ich dort nicht sichtbar herumlaufe. Man könnte mich erkennen, falls es irgendwann wirklich zur Sache kommt und wir wieder alles allein machen müssen, weil die Polizei
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