Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition)
angerauscht kamen und wieder verschwanden, nicht sicher sein könne. Ich wollte möglichst in ihrer Nähe sein.
Kurzentschlossen fuhr ich nicht direkt heim, sondern machte den kleinen Umweg zum Acueducto. Dort stellte ich meinen Laster am Straßenrand ab und schlenderte zum Restaurant hin. Ein Blick auf meine Uhr bestätigte mir, dass es noch viel zu früh war. Anita würde erst in einigen Stunden zum Dienst kommen. Was machte ich Idiot nur hier?
Egal, ich würde mich einfach einmal umsehen. Vielleicht fand ich irgendetwas, das mir half, das Geheimnis der gruseligen Krankenwagen zu lösen.
Vor der Ermita El Santo stand eine Bank. Von da aus konnte man gut erkennen, wer beim Acueducto kam und ging. Ich setzte mich hin, spielte den müden Touristen, und wartete.
Es war still, sonnig und überirdisch schön. Der Blick hinunter nach Taguluche nahm mich wieder einmal in seinen Bann. Das malerische Dorf lag wie eine Ansammlung winziger Zuckerwürfel tief unter mir. Auf einer Anhebung dahinter konnte man das kleine Dorfkirchlein San Salvador erkennen, das mit seinem gepflegten Versammlungsplatz der ganze Stolz der Dorfbewohner war. Dahinter ragte als finstere Kulisse die gewaltige Felswand des Roque de Mona. Schon manch ein Tourist hat sich darin verstiegen und musste entmutigt umdrehen, obwohl er eigentlich vorhatte, den Felsen zu umrunden. Ich hatte die Wanderung vor zwei Jahren gemacht. Sie war gefährlich, anspruchsvoll und anstrengend gewesen. Ich weiß noch wie heute, wie ich an einer Stelle, an der der Weg komplett ausgesetzt war, Halt an einem Stein in der Felswand gesucht hatte. In dem Moment, als ich ihn am stärksten benötigte, löste sich dieser Stein aus der Wand. Nur ein gewagter, verzweifelter Sprung hatte mich vom sicheren Absturz gerettet.
So ist Gomera. Bezaubernd schön, aber gleichzeitig auch gefährlich. Wie so manch eine Frau, dachte ich. Oder das Leben an sich.
Ich wäre fast auf der warmen Bank eingedöst. Hier war einfach nichts los.
Da nahm ich eine Bewegung aus meinem Augenwinkel wahr.
Flink sprang ich auf und flitzte hinter die Ecke der Kapelle. Dort konnte ich ungesehen auf den Platz schauen, von dem aus die Treppe hinunter ins Lokal führte.
Ein Mann kam zielstrebig über den Platz geschritten. Anscheinend wollte er etwas abgeben, denn er hatte eine Plastiktüte in der Hand.
Seine Erscheinung war seltsam, aber für Gomera nicht ungewöhnlich, denn auf der Insel gab es viele Menschen, die man nur als „Alt-Hippies“ beschreiben konnte.
Am auffälligsten war seine Frisur: Er hatte den ganzen Kopf voller langer Dreadlocks, die er zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen gezwängt hatte. Die wattige überschwängliche Frisur hätte eher in einen Hobbit-Film gepasst, als in unsere modernen Zeiten. Er trug eine Art gestreifte Haremshose, ein ausgefranstes, graues T-Shirt und einen knatsch-bunten Poncho. Der Mann ging auf die Treppe zu und verschwand im Lokal.
Ich wartete.
Nicht lange, da kam der Hippie wieder herauf, gefolgt vom Betreiber, Mateo Costa. Die Tasche trug der Hippie nun nicht mehr bei sich. Die beiden wechselten ein paar Worte und ich spitzte meine Ohren, um sie zu verstehen. Es war nicht leicht, denn sie sprachen mit gedämpfter Lautstärke.
„Fürs Erste müsste das dann reichen“, sagte Costa. „Danke.“
„Aber wir arbeiten weiter an der nächsten Lieferung, nicht wahr?“, fragte der Hippie.
„Ja, klar. Ich habe bereits weitere Anmeldungen für Ellas – ich kann mich kaum davor retten. Die Nachfrage ist enorm.“
Der Hippie grinste. „Sie melden sich also wieder.“
„Ja.“
Sie gaben sich die Hand und verabschiedeten sich. Der Hippie kehrte zurück auf die Straße, Costa stieg herab ins Lokal.
Jetzt war ich doch neugierig. Ich entschied mich, den Hippie zu verfolgen und eilte schnell hinter ihm her. Er war in einen alten verbeulten weißen Seat eingestiegen, vermutlich ein ausrangiertes Mietauto, wie es tausende auf der Insel gab.
Ich sprang in meinen Lastwagen, startete den Motor und verfolgte das Auto in einigem Abstand.
Es fuhr ziemlich schnell Richtung Las Hayas, dann durch den Ort durch, dann weiter nach Chipude. Ich vermutete, dass die Fahrt nach San Sebastian gehen sollte, und war schon kurz davor, die Verfolgung aufzugeben. So weit wollte ich heute nicht mehr fahren. Da überraschte mich der Hippie damit, dass er hinter Chipude von der Hauptstraße rechts abbog. Es ging zügig den Berg hinunter. Links von uns erhob sich die gewaltige
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