Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition)
oder weniger Noteinsätze, als auf jeder anderen Kanareninsel. Und meines Wissens trifft das genauso auf die verschiedenen Ortschaften hier auf der Insel zu. Reicht Ihnen das?“
Nein, es reichte nicht. Am liebsten hätte ich sie bei ihren blau-kostümierten Schultern gepackt und es aus ihr heraus geschüttelt, bis ihre dicken Ohrclips durchs Zimmer geflogen wären, die blöde Kuh. Stattdessen wandte ich mich frustriert ab. Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Carlos war jetzt schon eine halbe Stunde lang beim Arzt. Ich kalkulierte, dass es wohl noch etwas länger dauern würde.
Wieder schritt ich zum Krankenhausdrachen.
„Würden Sie mir bitte einen Gefallen tun?“
Sichtlich genervt, sagte sie ironisch: „Aber gerne doch.“
„Wenn der junge Mann von eben wieder auftaucht, sagen Sie ihm bitte, dass er auf mich hier warten soll. Ich bin in einer Sekunde wieder da.“
Sie machte eine Wedel-Bewegung mit der Hand, die ich als positive Antwort deutete.
Ich verließ die kühle Krankenhauslobby und stand draußen in der brennenden Sonne. Einen Moment überlegte ich, wo es wohl lang ging. Ich verfolgte die Gebäudefront, bis ich um die Ecke kam und mich an der Seite befand. Da fand ich, was ich suchte: Die Anfahrrampe für die Rettungsfahrzeuge. Etwas abseits standen vier Krankenwagen unter einem Dach und warteten auf ihren Einsatz. Ich ging hin und sah sie mir genau an. Es waren alles vier Wagen von ein und der selben Automarke, nämlich Ford Transits. Der Krankenwagen in Arure war ein VW T4 gewesen, da war ich mir 100% sicher. Ein Sanitäter trat vor die Tür. Er sah mich und kam auf mich zu.
„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“, fragte er nicht sonderlich freundlich.
„Nein“, erwiderte ich, „Ich vertrete mir nur ein bisschen die Beine. Ich warte auf meinen Schwager. Der ist noch im Krankenhaus“, ich zeigte mit dem Daumen auf das Gebäude.
Sein Gesicht entspannte sich. „Ach so.“
Ich zeigte auf die Krankenwagen. „Da haben Sie ja eine tolle Einsatzflotte. Macht sicher richtig Spaß, damit Einsätze zu fahren.“
Der Mann nickte und sagte stolz: „Die sind ganz neu. Das beste, was es auf dem Markt gibt. Da hat sich die Gemeinde nicht lumpen lassen.“ Dann grinste er. „Wäre ja schade, wenn wir nur so alte Karossen hätten, bei dem supermodernen Krankenhaus.“
„Und alles Ford Transits?“, fragte ich.
„Ja klar, sieht man doch.“
„Früher hatte man auf Gomera doch T4s“, behauptete ich probeweise.
Aber der Sanitäter zuckte nur mit den Schultern. „Da dürfen Sie mich nicht fragen. Ich bin erst neu hier am Krankenhaus. Seit einem Jahr.“
„Und der Notarzt, der “, (was hatte der Sanitäter am Acueducto noch gesagt? Luco? Lento?), „der Dr. Luengo“, (es war war mir wieder eingefallen), „ findet er die neuen Wagen auch gut?“
Der Sanitäter kniff seine Augen zusammen und sah mich misstrauisch an.
„Wollen Sie mich hier etwa komisch ausfragen oder was?“, fragte er aggressiv, „Was soll der Quatsch? Einen Dr. Luengo gibt es hier gar nicht. Hat es meines Wissens auch nie gegeben. Und jetzt gehen Sie wieder zurück ins Krankenhaus. Ihr Schwager wird auf Sie schon warten.“
Er machte auf der Hacke kehrt und verschwand im Seiteneingang.
Pfff.
So war das also. Hätte ich mir denken können. Einen Dr. Luengo gibt es hier gar nicht.
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Der Sanitäter hatte Recht gehabt. Mein „Schwager“ würde auf mich schon warten.
Ich eilte zurück in die kühle Krankenhauslobby. Carlos saß auf einem der Wartestühle. An seinem Arm war ein neuer Verband. Er war ganz in sich zusammengefallen, den Kopf zwischen den Schultern. Ich ging zu ihm und fasste ihn beim Arm.
„Hier bin ich wieder, Carlos.“
Als er seinen Kopf hob, sah ich, dass seine Augen rot geweint waren. Ich warf einen Blick zu der Empfangsdame. Sie zuckte mit den Schultern, als wolle sie sagen: „Nicht meine Schuld.“
„Sie ist nicht hier“, schniefte Carlos, „Du hast gelogen.“
Ich ging in die Hocke und sah ihm in das Gesicht. Dann redete ich mit ihm, wie mit einem Kind.
„Nein, ich habe nicht gelogen, Carlos. Ich habe nur gesagt, dass es möglich wäre, dass Anita hier ist. Ich war mir genauso wenig sicher wie du, dass wir sie hier finden würden. Gott alleine weiß, wie sehr ich mir das auch gewünscht hätte“, stieß ich aus, „Aber sie ist nun mal nicht hier. Wir werden sie schon noch finden. Vielleicht ist sie schon längst in Las Hayas zu Hause und wartet auf dich,
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