Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition)
keuchte er.
Ich dachte fieberhaft nach. Ich könnte fahren und Hilfe holen, aber es würde mindestens eine Stunde dauern. Ich mochte Pedro nicht so alleine auf der Erde liegen lassen.
Der alte Mann war zwar kräftig, aber verhältnismäßig dünn. Bis zu meinem Laster waren es höchstens hundert Meter.
„Ich werde versuchen, dich zum meinem Wagen zu tragen, Pedro“, sagte ich, „dann fahre ich dich nach San Sebastian ins Krankenhaus.“
Der Alte nickte stumm. Ich rannte zum Laster, machte die Beifahrertür auf und stellte die Lehne so flach wie es ging. Dann kehrte ich zu Pedro zurück.
„Du musst jetzt tapfer sein“, sagte ich, „Ich werde dich jetzt hochheben.“
Ich ging in die Hocke und schob meine Arme unter seinen gekrümmten Körper. Dann drückte ich meine Beine mit einem Ruck gerade.
Pedro stöhnte vor Schmerz, dann biss er die Zähne zusammen. Eine Träne lief ihm aus einem Augenwinkel.
Wankend trug ich ihn zum Wagen und legte ihn behutsam auf den Beifahrersitz. Pedro seufzte, sagte aber nichts.
Flink rutschte ich hinter den Lenker und fuhr los.
Pedro war kreidebleich. Jede Unebenheit auf der Straße schien ihm wehzutun. Ich fuhr so vorsichtig, wie es nur ging.
„Chef“, stieß Pedro nun hervor, „ich möchte nicht nach San Sebastian. Das dauert zu lange. Das halte ich nicht aus. Fahr mich bitte, bitte nach Hause. Ich will in mein eigenes Bett.“
Ich nickte. Er hatte Recht. Besser, ich brächte ihn nach Las Hayas und holte dann den Arzt in das Haus.
...und holte den Arzt ins Haus.
Warum, dachte ich, warum sollte ich so etwas durch und durch Blödes machen? Der Arzt würde mit Sicherheit nicht sofort kommen können. Er würde Pedro erst untersuchen, dann ein Rezept schreiben. Bis wir das eigentliche Medikament hätten, würden sicherlich ein bis zwei Stunden vergehen. Wollte ich mir das antun? Wollte ich Pedro das antun?
Pedro brauchte eine schnelle und wirksame Schmerzlinderung, am besten eine entkrampfende und schmerzstillende Spritze.
Als mein Laster vor seinem Haus anhielt, kam seine Frau Inez herausgerannt.
„Juan? Pedro? Wie kommt es, dass ihr so früh Feierabend macht?“, rief sie uns zu.
Ich sprang aus dem Auto.
„Pedro geht es nicht gut. Er hat offensichtlich einen Hexenschuss“, sagte ich ihr. „Ich trage ihn jetzt hinein und wir legen ihn auf euer Bett. Hast du ein dickes Kissen oder einen Schemel? Den will ich ihm unter die Knie schieben, das entlastet die Wirbelsäule.“
Inez rannte aufgeregt vor mir in das eheliche Schlafzimmer und bereitete alles vor. Blitzschnell rollte sie eine dicke Decke zu einem Kniepolster zusammen. Ich trug den stöhnenden Pedro zum Schlafzimmer durch und legte ihn so sanft wie möglich auf das Bett. Inez stand händeringend daneben und sah zu. Als sie sah, dass Pedro vor Schmerzen weinte, wurden ihre Augen aus Mitleid feucht.
„Was können wir nur tun, um ihm zu helfen?“, fragte sie verzweifelt.
Ich legte einen beruhigenden Arm um ihre Schultern.
„Wenn du eine Wärmflasche hast, dann bring sie und lege sie so dicht an sein schmerzendes Kreuz, wie möglich. Ich fahre eben hinunter ins Valle Gran Rey und hole die nötigen Medikamente aus der Apotheke. Mach dir keine Sorgen, Inez, wir bekommen deinen Pedro schon wieder flott.“
Ich bat sie um ein Blatt Papier und notierte darauf die Präparate, an die ich dachte. Ich steckte es in meine Brusttasche, rannte hinaus zum Wagen und fuhr los.
Ich fuhr die endlosen Serpentinen ins Tal mit quietschenden Reifen und viel zu schnell hinunter. Als ich Los Granados durchfuhr, konnte sich ein Fußgänger gerade noch vor mir in Sicherheit bringen und schüttelte mit der Faust. Kurz darauf hielt ich mit einem Ruck direkt vor der Apotheke in Borbalan.
Mit einem Satz sprang ich aus dem Laster hinaus und stürmte durch die Tür. Und landete in einer anderen Welt.
Im Vergleich zum gleißenden Licht des gomerianischen Morgens war es hier dunkel. Meine Augen brauchten eine Sekunde, um sich zu adaptieren. Auch war es kühler hier. Es roch nach Kräutern und Heilsalben.
Zwei Gestalten neigten sich über ein Stück Papier und murmelten miteinander.
Ich erkannte, dass es sich dabei um eine junge Apothekerin handelte, sowie um eine alte Frau.
„ Perdóname por favor”, unterbrach ich die beiden.
Die Apothekerin hob ihre Augen von dem Papier und musterte mich mit einem Blick, der so kühl war, wie ihre Apotheke.
“Sie können mit mir ruhig Deutsch sprechen”, erwiderte sie.
(Dabei bin ich so
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