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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Greenaway, sie hatte genau das
richtige Jahr erwischt), in dem der ungenannte Verfasser seine Entschlossenheit
bekundete, so lange wie möglich seine Pflicht zu tun in diesem, wie er sich
ausdrückte, «irdischen Jammertal».
     
    ...Hieraus
erklärt sich mein Rat, daß nämlich unsere Anstrengungen nicht darauf gerichtet
sein sollten, das biblische Lebensmaß — jene berühmten drei mal zwanzig plus
zehn Jahre — übertreffen zu wollen, sondern zu versuchen, ihm möglichst
nahezukommen. Denn nur, wenn man seine Gesundheit ständig im Auge behält und
Anstrengungen unternimmt, sie zu erhalten, wird das Erreichen dieses
Lebensalters als Möglichkeit erscheinen und mit etwas Glück und vernünftigem
Verhalten (und natürlich Gottes Hilfe) auch erreicht werden.
     
    Morse fand es interessant, den
lieben Gott in Klammern gesetzt zu sehen, und dachte, daß er den Verfasser des
Vorworts gerne kennengelernt hätte. Doch als derselbe Autor nur ein paar Zeilen
darauf die Behauptung aufstellte, daß die Sterblichkeit zwischen 1720 und 1820
um zwei Fünftel zurückgegangen sei, sah er sich doch genötigt, sein erstes
positives Urteil wieder zu revidieren. Er fragte sich, was um alles in der Welt
den Mann bewogen haben mochte, eine so völlig unwissenschaftliche — und
überhaupt ganz unsinnige Angabe — zu machen. Im Moment allerdings wurde ihm,
als er begann, das Kleingedruckte zu lesen, deutlich, daß die Lebensdauer der
Menschen in jenen Jahren begonnen hatte zuzunehmen und daß die
Versicherungsgesellschaften gegen Mitte des 18. Jahrhunderts auf das Phänomen
reagierten, indem sie die Gebühren und Prämien attraktiver machten, und das,
obwohl ungeachtet dieses positiven Trends Mitte des Jahrhunderts die Statistik
der Todesfälle insgesamt doch noch recht düster aussah. Wie zum Beispiel die
für das Jahr 1853. Der Versicherungsführer meldete für dieses Jahr eine halbe
Million Tote. 55 000 waren an Schwindsucht gestorben, 25 000 an
Lungenentzündung, 24 500 an Krämpfen, 23 000 an Bronchitis, 20 000 starben
eines vorzeitigen Todes und infolge von Debilität, 19 000 verschieden an
Typhus, 16 000 an Scharlach, 15 000 an Durchfall, 14 000 an Herzkrankheiten, 12
000 an Keuchhusten, 11 000 an Wassersucht, 9000 an Schlaganfall, 8500 an
Lähmungen, 6000 an Asthma, 5750 an Krebs, 4000 an Abszessen des Kiefers und der
Zähne, 3750 an Masern, 3500 an Krupp, 3250 an Pocken. 3000 Mütter waren im
Kindbett gestorben und so weiter, und so weiter, bis hin zu den zahlenmäßig
geringen Todesfällen, die zurückgingen auf Krankheiten des Gehirns, der Nieren
oder der Leber und anderer innerer Organe bis hin zu den Todesfällen infolge
Altersschwäche. Während er die Anzahl der Todesfälle rasch im Kopf addierte,
fiel Morse auf, daß es für ungefähr zwei Drittel der 500 000 Todesfälle
keinerlei Angaben gab, so daß anzunehmen war, daß selbst mit ein paar
zusätzlichen Klassifizierungen der Todesursachen (wie zum Beispiel «Mord») bei
einer großen Zahl von Sterbefällen in jenen Jahren offenbar auf die Angabe der
Todesursache verzichtet worden war, ungeachtet der Tatsache, daß sie in der
nationalen Statistik durchaus auftauchten. Vielleicht waren viele der Toten
einfach nicht wichtig genug gewesen, als daß man es für nötig befunden hätte,
die Ursache ihres Todes auf dem Totenschein zu vermerken. Vielleicht aber waren
auch die Kenntnisse vieler Ärzte, Hebammen, Schwestern und Armenpfleger, oder
wer immer solche Bescheinigungen ausstellte, oft einfach nicht ausreichend,
oder aber es war ihnen schlechterdings egal.
    Morse ließ sich in die Kissen
zurücksinken, um über die unglücklichen Umstände nachzudenken, die zu Joanna
Franks vorzeitigem Tod geführt hatten. In ihrem Fall war weder Schwindsucht noch
Lungenentzündung die Ursache gewesen, sondern... Plötzlich nickte er ein und
fiel in einen tiefen Schlaf, so daß er es nicht einmal bemerkte, als ihm die
Nachtschwester gegen zehn Uhr seine Malzmilch und einen Teller mit
Verdauungskeksen auf den Nachttisch stellte. Gegen Viertel vor elf wachte er
plötzlich wieder auf, durstig, aber mit klarem Kopf. Auf der Station brannte
nur gedämpftes Licht, die übrigen Patienten schienen alle fest zu schlafen, bis
auf den Neuzugang von heute nachmittag. Ärzte und Schwestern waren auch jetzt
wieder mit ernster Miene um ihn bemüht, während er selbst regungslos dalag und
stumm an die Decke starrte. Vielleicht meditierte er über seinen bevorstehenden
Tod, dachte Morse.
    Nessie war

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