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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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breiten über die beunruhigende Philosophie der «Gnadenlosen
Symmetrie» ausgelassen hatte, welche besagte, daß Soll und Haben im Buch des
Lebens unausweichlich und auf ewig ausgeglichen würden, und daß jeder, der
versuchte, sich heimlich mehr Genüsse zu verschaffen, als ihm zustanden, früher
oder später zur Kasse gebeten wurde, um die offenstehende Rechnung zu
begleichen — oft mit happigen Extragebühren. Was für ein Aberwitz es doch sei
zu glauben, hatte der weise alte Mann geendet, daß die Hedonisten dieser Welt
zu beneiden seien!
    Oje.
    Warum bloß hatte er nicht auf
seinen Whisky verzichten können! Der Tod ist der Sünde Sold, und die
vorausgegangene Nacht verlor unweigerlich im Licht des nächsten Morgens an Wert
(behaupteten jedenfalls manche). Alle Sterblichen, das wußte Morse, befanden
sich auf einem schmalen Pfad, der unerbittlich zum Jüngsten Gericht führte,
doch jetzt betete er, daß die letzten Schritte auf diesem Weg in seinem Fall
doch bitte noch etwas verzögert werden möchten.
    Dann waren die Schmerzen auf
einmal genauso plötzlich, wie sie gekommen waren, wieder vorbei. Dankbar
öffnete Morse die Augen.
    Die Uhr hinter dem Schreibtisch
der diensttuenden Schwester (heute nacht, so wurde voll böser Ahnungen
gemunkelt, hatte Nessie Nachtwache) zeigte halb acht Uhr, als die ersten
Besucher eintrafen, die meisten mit einer Plastiktragetasche von Sainsbury oder
St. Michael in der Hand, in der sie ihre Mitbringsel verstaut hatten. Manche,
die einen gerade frisch eingelieferten Patienten besuchten, trugen Blumen in
der Hand.
    Das Leben ist betrüblicherweise
voll unangenehmer Überraschungen, und so erhielt Morse an diesem Abend
unerwarteten Besuch, auf den er gern verzichtet hätte. Doch er hatte keine Wahl.
Mit einem Strauß schon reichlich welk aussehender Chrysanthemen in der Hand
trat eine streng aussehende ältliche Frau an sein Bett und nahm wie
selbstverständlich auf dem Stuhl daneben Platz.
    «Mrs. Green! Wie nett von
Ihnen, mich zu besuchen!»
    Morse spürte, wie so etwas wie
Panik in ihm hochstieg, ein Gefühl, das sich noch verstärkte, als seine
Zugehfrau ihm klarzumachen begann, daß er unmöglich in der Lage sei, sich
allein um Dinge wie Handtücher, Zahnpasta, Talkum und ganz besonders natürlich
frische Schlafanzüge zu kümmern. Es war also wirklich sehr lobenswert (und wer
hätte das bestreiten mögen), daß sie sich der Mühe unterzog, ihn hier
aufzusuchen (drei Busse, wie sie Morse mehrmals erklärte). Und was
dachte der Patient bei alldem? Er wünschte nichts sehnlicher, als daß sie
endlich wieder verschwände.
    Um fünf nach acht Uhr, nachdem
sie mindestens ein halbes dutzendmal angekündigt hatte, daß sie nun aber
wirklich gehen müsse, stand sie tatsächlich ächzend auf (die Füße!). Doch bevor
sie ging, hielt sie es für ihre Pflicht, ihn noch über die weitere Pflege der
Chrysanthemen zu instruieren, und als auch das glücklich vorüber war, mußte
Morse noch einen Bericht über den letzten Besuch bei ihrer «Schiropodistin»
über sich ergehen lassen. Dann schließlich nickte sie ihm ein letztes Mal zu
und schleppte sich auf müden Füßen hinaus. Morse atmete erlöst auf.
    Christine Greenaway, die schon
eine ganze Weile am Bett ihres Vaters saß, hatte sich zwischendurch immer
wieder zu Morse umgedreht. Zwei-, dreimal hatten sich ihre Blicke getroffen,
und sie hatten sich zugelächelt, sie verständnisinnig, er hilflos und in seiner
Ohnmacht nicht unähnlich einem gestrandeten Wal.
    Gerade als Mrs. Green ging,
hatte sich einer der Ärzte rücksichtsloserweise entschlossen, noch einen Blick
auf Mr. Greenaway zu werfen, erschien, begleitet von einer Stationsschwester,
an dessen Bett und begann, nachdem er den alten Mann oberflächlich untersucht
hatte, im Flüsterton eine Unterhaltung mit Christine Greenaway, vermutlich um
ihr seine Meinung über den weiteren Krankheitsverlauf mitzuteilen.
    Morse brachte diese Abweichung
von der normalen Routine schier zur Verzweiflung, er spürte dieselbe Mischung
von Ausgeliefertsein und Wut, wie er sie kannte, wenn er in seinem Urlaub
morgens im Hotel vergeblich auf das Frühstück wartete.
    Und dann kam auch noch Lewis.
    Heute abend war Morse, entgegen
seiner sonstigen Gewohnheit, alles andere als froh, seinen Sergeant zu sehen,
dabei hatte er selbst ihn gebeten, ihm die Post aus der Wohnung zu holen und
vorbeizubringen. Mit mühsam geheuchelter Dankbarkeit nahm er einige Briefe und
Karten in Empfang: seine Schuhe (das

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