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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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sich. Sie benahm sich ja kaum weniger töricht als ein Schulmädchen,
das sich plötzlich in einen seiner Lehrer verliebt hat. Doch Schulmädchen hin,
Schulmädchen her — Tatsache war, daß sie jetzt und hier bereit gewesen wäre,
für diesen merkwürdigen Mann mit dem spärlichen Haar, dem Bauchansatz und dem
gräßlich gestreiften Schlafanzug zu einem Marathonlauf anzutreten — in
Holzpantinen, wenn nötig.
     
     
     

Kapitel 13
     
    Oh,
füll den Becher: — was frommt die ew’ge Klage
    Wie
rasch den Sohlen entschlüpfen all die Tage:
    Noch
ungebornes Morgen, totes Gestern,
    Nicht
um die gräm dich, die Süße heut zu kosten wage!
     
    Die
Sinnsprüche Omars des Zeltmachers
     
     
    Er war in seinen Angaben
ziemlich vage gewesen, und so hatte sie einige Schwierigkeiten gehabt,
herauszubekommen, was genau er erfahren wollte, nämlich detaillierte
Einzelheiten betreffs sämtlicher Versicherungsgesellschaften, die in der Mitte
des letzten Jahrhunderts tätig gewesen waren, und besonders solcher
Gesellschaften, die in den Midlands ansässig waren. Sie hatte, immer wieder
unterbrochen durch andere Tätigkeiten, ungefähr eine Stunde gebraucht, die
entsprechenden Kataloge herauszusuchen, und eine weitere Stunde, die relevante
Literatur zu ermitteln. Doch gegen Mittag hatte sie endlich alle erwünschten
Angaben beisammen. So mußte sich ein Gelehrter fühlen, dachte sie, wenn es ihm
gelungen war, in dem unendlichen Wissensschatz der Bibliothek das eine, ganz
spezifische, für ihn wichtige Körnchen Gold ausfindig zu machen. Sie jedenfalls
würde Morse nun genau die Informationen präsentieren können, um die er sie
gebeten hatte.
    Kurz nach zwölf Uhr ging sie
zusammen mit einer Kollegin zum King’s Arms, einem Pub direkt an der Ecke der
Holywell Street, um dort ihren Lunch einzunehmen, der wie immer aus einem
Lachs- und Gurkensandwich sowie einem Glas Weißwein bestand. Doch heute stand
sie nach einer halben Stunde auf und erbot sich, neue Getränke zu holen. Ihre
Kollegin sah sie überrascht an.
    «Du hast doch immer gesagt,
wenn du mehr als ein Glas Wein trinken würdest, schliefest du hinterher ein?»
    «Habe ich das?»
    Die Kollegin nickte. «Aber
bring mir ruhig auch ein Glas mit — dann schlafen wir eben beide ein.»
    Sie waren miteinander
befreundet, und vermutlich hätte Christine ihr früher oder später von ihrem
gestrigen Besuch im John-Radcliffe erzählt, wenn sich nicht ein paar Minuten
später eine weitere Kollegin zu ihnen an den Tisch gesetzt hätte. Da diese
Kollegin gerade einen Umzug hinter sich hatte, waren die drei bald in eine angeregte
Unterhaltung über die Probleme des Einrichtens und die unzumutbare Höhe der
gegenwärtigen Hypothekenraten vertieft.
    Das heißt, genaugenommen
beteiligten sich eigentlich nur zwei der Damen an dem Gespräch. Die dritte war
stiller und nachdenklicher als sonst, und das blieb auch so, als sie gegen ein
Uhr wieder an ihre Arbeit zurückkehrte. Nachdem sie das, was sie herausgefunden
hatte, fotokopiert hatte, wartete sie ungeduldig auf den Dienstschluß, um
endlich die Ergebnisse ihrer Suche vorführen zu können — oder, na ja, um ihn endlich wiederzusehen.
    Gegen halb sieben Uhr saß sie
zu Hause in ihrer Wohnung in Bletchington, einem Dorf ein paar Meilen außerhalb
von Oxford in Richtung Otmoor, und lackierte sich die Fingernägel. Punkt sieben
brach sie auf zum John-Radcliffe.
    Auch Morse wartete, wenn auch
vielleicht aus anderen Gründen, ungeduldig darauf, Christine Greenaway
wiederzusehen. Gestern abend, als sie laut überlegt hatte, wie die gewünschten
Angaben wohl zu beschaffen seien, hatte er sofort erkannt, daß sie offenbar
sehr kompetent war. Darüber hinaus hatte ihm der offene und intelligente
Ausdruck ihrer Augen gefallen und die bestimmte, ruhige Art, mit der sie
sprach. Kurz vor halb acht Uhr saß er erwartungsvoll in seinem Bett, frisch
gewaschen und die Haare sorgfältiger als sonst gekämmt, als er plötzlich einen
stechenden Schmerz in der Magengegend verspürte. Zwei, drei Minuten lang
krampfte sich alles in ihm zusammen. Fest ballte er die Fäuste, bis ihm der
kalte Schweiß auf die Stirn trat, schloß die Augen und betete, ungeachtet
seiner jüngsten Wandlung vom Agnostiker zum Atheisten, daß die Qual möglichst
bald vorübergehen möge.
    Vor drei Jahren hatte er auf
einer Veranstaltung der Oxforder Literaturgesellschaft den Ausführungen eines
recht misanthropisch wirkenden Malcolm Muggeridge gelauscht, der sich des
langen und

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