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Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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das feierliche Bankett allmählich aufgelöst. Wäre vom Meer her nicht plötzlich eine steife Brise aufgezogen, wäre die Feier vermutlich die ganze Nacht weitergegangen, doch die Schiffseigner empfahlen, die schwimmende Insel auseinanderzunehmen und die Boote an Land zu schleppen. Bevor alle aufbrachen, erhob ich mich und richtete das Wort an die versammelten Gäste.
    »Bürger von Baiae! Ich freue mich, dass ich endlich den einzigen Ort Italias gefunden habe, an dem die Menschen wirklich zu leben wissen!« Dafür erntete ich begeisterten Applaus und zustimmendes Gejohle. »Da ich Baiae nun also kenne, muss ich mir vielleicht gar nicht mehr die Mühe machen, Pompeji und Puteoli zu besuchen. Was sollte das noch für einen Sinn haben?« Das brachte mir noch mehr anerkennendes Gejohle ein. »Vielleicht sollte ich mich sogar ganz hier niederlassen!« Die Leute klatschten und tobten vor Begeisterung und riefen mir aufmunternde Worte zu.
    Kaum hatte ich zu Ende gesprochen, frischte der Wind spürbar auf, und die Gäste eilten hastig an Land. Über die aus Booten zusammengesetzte Brücke wurde unsere Sänfte herbeigetragen, und wir stiegen ein. Die Delikatessen, die ich im Laufe der Feier verspeist hatte, hatten mich angenehm gesättigt, und zum Glück hatte ich nicht zu tief ins Glas geschaut, sodass ich mich nur ein bisschen besäuselt fühlte. Die zusehends größer werdenden Wellen brachten die Brücke bedrohlich ins Wanken, doch als die Träger uns anhoben, spürten wir davon kaum noch etwas.
    »Ich brauche unbedingt auch so ein koisches Schleiergewand«, verkündete Circe.
    »Ich habe sogar eins«, entgegnete Antonia. »Wenn ich gewusst hätte, dass es hier der absolute Renner ist, hätte ich es heute Abend getragen.«
    »Aber nicht in meiner Gegenwart«, stellte Julia klar. »Decius ist immerhin Praetor. Wir haben die Würde seines Amtes zu respektieren. Wie würde es denn aussehen, wenn die Frauen in seinem Gefolge sich kleiden wie Prostituierte aus dem Trans-Tiber-Distrikt?« Julia tat so, als bemerke sie nicht, dass ihre Freundinnen sich vor Lachen schüttelten. »Allerdings haben durchsichtige Gewänder natürlich auch einiges für sich«, fuhr sie unbeirrt fort. »Wie hätten wir sonst erfahren sollen, dass Rutilia - die Frau von Norbanus - sich die Brustwarzen vergoldet hat? Oder dass Quadrilla -die Gattin von Silva - ihren Bauchnabel auf die dreifache Größe gedehnt hat, um Platz für einen riesigen Saphir zu schaffen?«
    »Wie sie das bloß angestellt hat«, überlegte Circe.
    »Wahrscheinlich hat sie mit einem kleinen, bauchnabelgroßen Saphir angefangen«, vermutete Antonia, »und ihn nach und nach durch immer größere ersetzt, bis sie schließlich diesen Riesenklunker hineinstecken konnte.«
    »Habt ihr auch gesehen, dass die Oberschenkel und der Hintern der Konkubine des Marmorhändlers über und über mit skythischen Tätowierungen bedeckt waren?«, fragte Circe.
    »Es waren thrakische Tätowierungen«, berichtigte ich sie, »keine sky-thischen. Irgendwo habe ich die Muster schon mal gesehen.«
    »Dann weiß ich ja, wo du den ganzen Abend mit deinen Augen warst«, stellte Julia fest und fuhr nachdenklich fort: »Die Leute hier sind wirklich seltsam. Bei all dem Reichtum und der Protzerei hier hätte ich gedacht, dass sie sich wie neureiche, freigelassene Emporkömmlinge benehmen und einen vulgären Charakter offenbaren. Doch stattdessen sind sie so diplomatisch und kultiviert wie die vornehmen Familien Roms - und das, obwohl die meisten von ihnen gewöhnliche Händler sind!«
    »Mit der gravitas nehmen sie es allerdings nicht so ernst«, fügte Anto-nia hinzu. »Aber das ist mir gerade recht. Ich rede sowieso lieber über die fröhlichen und leichten Dinge des Lebens als über die Niederungen der Politik. Vor allem abends und nachts.«

    Ich musste an Gaetos Worte denken. Er hatte gesagt, dass das Fest für mich eine »erhellende« Veranstaltung werden würde.
    Hatte er damit die gesellschaftliche Gleichstellung der Bürger gemeint? Bei einem Bankett in Rom hätte ich jedenfalls nie und nimmer mit einem Sklavenhändler an ein und demselben Ehrentisch gelagert. Nicht in Rom und nicht sonst irgendwo in der Welt.

III
    In den folgenden Tagen bereiste ich die Orte der Umgebung, hielt Gerichtssitzungen ab und amüsierte mich auf den zu meinen Ehren stattfindenden Festen. Kurzum - ich genoss das Leben.
    An einem dieser Tage besuchte ich die schöne Kleinstadt Pompeji, wobei ich sagen muss, dass in

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