Mord am Vesuv
Ilias, an Atreus, die Tyrannenmörder Harmo-dius und Aristogeiton oder auch an Alexander und seine Gefolgsleute. Die hatten doch alle mehr Blut an den Händen, als man sich überhaupt vorstellen kann.
Heutzutage bevorzugen sie eher die heimliche Verschwörung als den offenen Mord.«
»Ich bin nicht ganz sicher, ob ich dir folgen kann.« Diese Wendung des Gesprächs hatte sie nicht erwartet.
»Ganz einfach«, entgegnete ich. »Ich habe es mit zwei Morden zu tun und will so viele Leute wie möglich von der Liste der Verdächtigen streichen.«
»Du glaubst also nicht, dass Gelon die Priestertochter ermordet hat und dass ihr Vater den Mord mit der Tötung von Gaeto gerächt hat?«
»Das wäre schon möglich. Im Grunde sieht es sogar ganz danach aus. Aber ich mag es nicht, wenn ich förmlich mit der Nase auf etwas gestoßen werde. Das macht mich eher misstrauisch.«
»Das sollte es auch. Endlich schickt Rom uns mal einen Mann, der über Scharfsinn verfügt. Ich mag dich, Decius Caecilius, auch wenn mein Mann dir gerade nicht so wohlgesonnen ist. Was hat denn dein Misstrauen erregt?« Sie lehnte sich zurück und rührte mit ihrem blau angemalten Fingernagel in ihrem Wein herum.
»Oh, da gibt es eine ganze Menge Dinge. Zum Beispiel haben viele Leute sehr schlecht über den verstorbenen Gaeto geredet, aber ich habe bei verschiedenen öffentlichen und privaten Anlässen beobachtet, dass man ihm mit einer Ehrerbietung begegnet ist, die man allenfalls einem Magistrat, einem berühmten Priester oder einem Patrizier entgegenbringen würde, niemals jedoch einem Sklavenhändler. Wie kommt das?«
»Armer Gaeto«, seufzte sie und starrte angestrengt auf den Grund ihres Bechers, als ob er sich in unendlicher Entfernung befände. »Ich gebe ja zu, dass ihn viele seiner Geschäfte wegen verachten …«
Sagt die vermutlich ehemalige Prostituierte, dachte ich.
»… aber er war ein bemerkenswerter Mann. Du glaubst gar nicht, wie langweilig diese saft- und kraftlosen Aristokraten sein können, diese geldversessenen Kaufleute und ihre Ehefrauen, mit denen man es hier in Baiae zu tun hat. Aber das hast du bestimmt auch schon festgestellt. Gaeto war anders. Er war mindestens so wohlhabend wie jeder andere Geldsack Baiaes, aber nicht so verweichlicht. Er hatte eine Art, die man bei Römern seiner Generation nur noch selten antrifft, womit ich keineswegs sagen will, dass er primitiv war. Wenn man auf so etwas steht, muss man nur auf den nächsten Markt gehen.«
»Du meinst«, sagte ich, »er war wie der Häuptling eines kriegerischen Stammes, aber einer mit besten Umgangsformen und erfrischender Weltgewandtheit.«
Sie lächelte träge. »Ja, das trifft es genau. Frauen stehen auf solche Männer, weißt du: ein harter Kerl, geradezu triefend vor Männlichkeit, der seine rausten Seiten ein wenig glatt geschliffen hat. Das hat ihm unter der weiblichen Bevölkerung Baiaes jede Menge Verehrerinnen eingebracht.«
Oho, dachte ich. Ein neues Detail, das es zu berücksichtigen gilt. »Willst du damit sagen, dass außer Diocles auch andere Männer einen Grund gehabt haben könnten, Gaeto umzubringen?«
Sie brach in einen kreischartigen Lachanfall aus. »Ein eifersüchtiger Ehemann? In Baiae? Höchst unwahrscheinlich!
Solange sich eine Frau bei ihrem Seitensprung diskret verhält, wird der Mann eher versuchen, geschäftlichen Vorteil aus der Affäre zu schlagen. Wir sind hier nicht in Rom, Praetor!«
»Woran ich auf Schritt und Tritt erinnert werde. Haben dein Mann oder Diogenes eigentlich Geschäfte mit Gaeto gemacht?
Womit ich natürlich nicht andeuten will, dass ihr in die Sache verwickelt sein könntet.«
»Nur ein paar kleine Geschichten, soweit ich weiß. Gaeto hat bekanntlich mit Sklaven von höchster Qualität gehandelt, die er den potenziellen Käufern natürlich besonders vorteilhaft präsentieren wollte. Das heißt, er ließ sie mit Parfümen und Duftölen einreihen, vor allem die Haussklaven und die Unterhalter. Außerdem war Gaeto großzügig, besonders seinen afrikanischen und asiatischen Geschäftspartnern gegenüber.
Soweit ich weiß, hat er speziell für diesen Zweck regelmäßig eine Auswahl der kostbarsten Parfüme geordert.«
»Kennst du außer Gaeto noch jemanden, mit dem sich Gorgo eingelassen haben könnte?«
Sie schürzte die Lippen und zog die Augenbrauen hoch.
»Meines Wissens war sie ein untadeliges Mädchen, so wie sie in ihrer Bestattungsrede dargestellt wurde.«
»Ist jemals jemand so untadelig, wie er
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