Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
Vom Netzwerk:
in dem er einen möglichen Retter sah.
    Pompeius wiederum hatte den stärksten Rückhalt in Südkampanien und einigen anderen südlichen Gegenden unserer Halbinsel, die alle auf dem Weg nach Messina lagen. Hier würde er im Notfall seine Legionen ausheben, und deshalb war ihm sehr daran gelegen, dass dort geordnete Verhältnisse herrschten.
    »Praetor«, meldete sich der in ein weißes Gewand gehüllte oberste Priester der Stadt zu Wort. »Bevor du die Stadtmauern passieren kannst, musst du von dem Blut gereinigt werden. Das Gleiche gilt für deine Männer.«
    »Ihr seid aber empfindlich«, entgegnete ich höhnisch. »In Rom baden wir darin.«
    »Decius«, ermahnte Cicero mich nachdrücklich mit gesenkter Stimme.
    »Ist ja schon gut«, gab ich mich geschlagen. »Ich will eure Schutzgötter nicht beleidigen.«
    »Dann werde ich die entsprechenden Vorbereitungen in die Wege leiten«, kündigte der Priester an.
    »Ihr könnt jetzt verschwinden!«, wandte ich mich an die Versammelten. »Das gilt für euch alle!«
    Ohne Widerspruch bewegte sich die Menge zurück in Richtung Baiae. Offenbar hatte die neueste Entwicklung ihnen die Sprache verschlagen.
    Nur Rutilia bestieg noch nicht ihre Sänfte, sondern kam auf mich zu. Sie trug immer noch ihre goldene Perücke. »Decius Caecilius«, säuselte sie, »ich muss sagen, dass das Blut dir ausgesprochen gut steht.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging zu ihrer Sänfte.
    »Cicero«, wandte ich mich an meinen Freund, »glaubst du, dass die römischen Frauen auch einmal so werden?«
    »Ach, Decius«, antwortete er. »Hast du es denn noch nicht gemerkt? Sie sind doch längst so.«

X
    Als wir die Stadt erreichten, hatte der Priester bereits alle Vorbereitungen für die Reinigungszeremonie getroffen. Wir wurden mit gereinigtem Wasser gewaschen und beweihräuchert, wir mussten zwischen zwei Flammen durchgehen und wurden neu eingekleidet. Auf diese Weise vom Blut gereinigt, betraten wir die Stadt. Man war bereits dabei, ein geräumiges Stadthaus für uns herzurichten, das einem Freund von Cicero gehörte.
    Aber zunächst wollte ich die Leiche sehen.
    Die duumviri führten uns zu einem lang gestreckten, niedrigen Gebäude, das hinter dem Tempel der Venus Libitina lag. Wie in Rom war die Totengöttin die Schutzpatronin des Bestattungsgewerbes und führte die Schatten der Verstorbenen in die Unterwelt. Von einem Portikus, der dem Gebäude in seiner gesamten Länge vorgebaut war, gingen etliche Räume ab, in denen die neu eintreffenden Toten entgegengenommen wurden.
    »Hierhin bringen wir die Leichen der Sklaven, Armen und Ausländer, die weder einen Patron noch einen hospes haben«, erklärte uns der oberste Leichenbestatter. Bei Letzteren handelt es sich vorwiegend um Seeleute, die während ihres Aufenthaltes in unseren Häfen sterben. Wenn nach zwei Tagen niemand Anspruch auf die Leiche erhebt, kommen sie in eine der Gruben außerhalb der Stadt.
    In Rom gab es auch solche Massengräber, die natürlich viel größer waren. Ältere Sklaven wurden oft aus den Häusern ihrer Herren gejagt, damit sie irgendwo auf der Straße starben und der Eigentümer damit die Kosten einer angemessenen Bestattung sparte. Wie es aussah, gab es in Baiae deutlich weniger Arme und geizige Sklavenbesitzer als in Rom.
    Die Leiche lag auf einer steinernen Totenbahre, die mir in der Höhe etwa bis an die Taille reichte, und war zum Schutz vor Fliegen mit einem Tuch bedeckt. Auf mein Nicken hin zog ein Sklave das Tuch zur Seite. Charmian lag steif und blass da, von ihrem einst so vorwitzigen Blick war nichts mehr zu ahnen. Sie war deutlich dünner, als ich sie in Erinnerung hatte, und sah irgendwie ausgelaugt aus, als ob sämtliche Flüssigkeit aus ihrem Körper entwichen wäre. Ihr nackter Körper war mit blauen Flecken und hässlichen Streifen und Striemen von der Peitsche übersät. Auch an ihrem Hals gab es blaue Flecken und Druckspuren, doch ob sie von den Schlägen herrührten oder ob sie gewürgt worden war, konnte ich nicht erkennen.
    »Der Zustand dieser Leiche schien uns etwas ungewöhnlich«, erklärte der Leichenbestatter. »Wie du unschwer sehen kannst, wurde das Mädchen vor kurzem ausgepeitscht. Wahrscheinlich ist sie deshalb ausgerissen.«
    »Ich will sie von hinten sehen«, verlangte ich, woraufhin die mit Atemmasken und Handschuhen geschützten Gehilfen die Leiche umdrehten. Da die Totenstarre bereits eingesetzt hatte, ließ sie sich handhaben wie eine Holzstatue. Ihr Rücken war noch

Weitere Kostenlose Bücher