Mord am Vesuv
wie dieser stehst du mit deinem Vorgehen ganz auf dem Boden des Rechts«, versicherte er mir. »Mit deinem Imperium kannst du dich über die lokalen Amtsträger hinwegsetzen, und du hast das Recht, zur Aufrechterhaltung der Ordnung Soldaten heranzuziehen. Aber das wird die Männer hier nicht davon abhalten, nach deiner Amtsniederlegung umgehend Klage gegen dich zu erheben.«
»Deswegen mache ich mir keine allzu großen Sorgen«, entgegnete ich. »Diese Männer haben viel zu viel Angst, dass ihre schmutzigen Geschäfte unter die Lupe genommen werden könnten. Sie werden mich sicher nicht vor Gericht zerren.«
Er grinste breit. »Ist Schuldbewusstsein nicht etwas Wunderbares? Obwohl ihre Vergehen nicht das Geringste mit deiner Untersuchung zu tun haben, veranlassen sie die Leute, sich in deinem Sinne zu verhalten. Nebenbei gesagt, finde ich es sehr anständig von dir, dass du dieses arme Mädchen ordentlich bestatten lässt.«
»Sehr unrömisch, willst du wohl sagen.«
»Nicht unbedingt«, erwiderte er und runzelte die Stirn. »Die menschliche Behandlung von Sklaven ist eine der römischen Grundtugenden. Sie ist eine der Eigenschaften, die uns von den Barbaren unterscheidet.« Er redete natürlich dummes Zeug, aber ich ließ ihn gewähren. »Aber es kann Komplikationen geben.
Wie ich gehört habe, hast du zwei Sklavinnen des Priesters beschlagnahmt. Er wird behaupten, dass du dir die beiden unrechtmäßig angeeignet und ihn damit in seinen Eigentumsrechten verletzt hast. Damit dürfte zumindest der Priester berechtigte Klagegründe haben.«
»Ich habe sie mitgenommen, damit er sie nicht umbringt, sie sind wichtige Zeuginnen. Eins kann ich dir sagen: Der Priester hat genauso viel Dreck am Stecken wie die anderen. Das spüre ich regelrecht. Irgendetwas verbirgt er, und ich werde herausfinden, was.«
Wenig später kam Hermes vom Markt zurück, gefolgt von einem Jungen, der einen riesigen Korb voller Köstlichkeiten trug. Marcus und die anderen Männer hatte ich zur Villa Hortensia geschickt, damit sie sich ein wenig ausruhten und sich, soweit nötig, verarzten ließen. Außerdem hatte ich ihnen aufgetragen, Julia über die neuesten Entwicklungen zu informieren.
Bei einem bescheidenen, aber köstlichen Mittagsmahl, das aus Würsten, körnigem Kuchen, diversen Früchten und Wein bestand, diskutierten wir die neuesten Wendungen des Falls.
»Wer«, fragte ich, »bringt eine Sklavin um und macht sich dann die Mühe, sie unter Wahrung ihrer Würde wie eine geliebte Verwandte an einer der schönsten Stellen der Stadt abzulegen?«
»Ein Perverser«, erwiderte Cicero, ohne zu zögern. »Vor Gericht hat man doch oft genug mit solchen Leuten zu tun.
Verrückte, die Menschen umbringen und dabei nach ihren eigenen rituellen Mustern vorgehen: Sie nehmen bestimmte Körperteile mit nach Hause, kleiden ihre Opfer sorgfältig, bringen die Leiche in eine groteske Position oder zelebrieren sonst eine Zeremonie, die ihrem kranken Hirn entsprungen ist.
So etwas passiert leider ständig.«
»Sie wurde wie Gorgo in der unmittelbaren Nähe von Wasser ermordet«, warf Hermes ein.
»Du hast Recht«, bestätigte ich, »da könnte es durchaus eine Verbindung geben. Bei den verrückten Mördern, von denen Marcus Tullius gesprochen hat, trifft man häufig auf rituelle Wiederholungsmuster. Aber warum geht ein Verrückter so behutsam mit seinem Opfer um? Und warum in aller Welt zieht er es nackt aus?«
Wir dachten eine Weile angestrengt darüber nach, bis Hermes schließlich das Schweigen brach und uns mit einer schlüssigen These weiterbrachte.
»Nach ihrer Flucht muss sie auf den Feldern etliche Pausen eingelegt und sich ausgeruht haben. Als sie dann endlich im Haus ihres unbekannten Beschützers ankam, war ihre Kleidung sicher stark verschmutzt. Deshalb dürfte ihr Freund sie neu eingekleidet haben.«
»Aber warum hat er ihr dann alles wieder ausgezogen und …?« In diesem Moment verstand ich, worauf Hermes hinauswollte. »Natürlich! Er hat sie in eine Uniform gesteckt.
Viele große Häuser hier haben Uniformen für ihre Haussklaven.
Natürlich musste der Mörder vermeiden, dass sie in der Uniform seines eigenen Hauses gefunden wird.«
»Sehr scharfsinnig«, lobte Cicero. »Das könnte tatsächlich die Lösung sein.«
»Und vielleicht führt sie uns auch zu dem Mordmotiv«, dachte ich laut weiter.
»Möglicherweise hat sie einfach zu viel gewusst«, vermutete Cicero. »In der letzten Zeit ist hier reichlich Blut
Weitere Kostenlose Bücher