Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
schrie ich in mein leeres, viel zu großes, gutbürgerliches Hotelzimmer hinein.
Ich öffnete die Doppelfenster und warf beide Gläser Champagner auf den Hildesheimer Marktplatz. Wie Hartwin damals den Champagner ins Meer geschmissen hatte. Es klirrte scheußlich. Hildesheim ist eben nicht der Ozean.
Wutentbrannt klingelte ich mitten in der Nacht das Rezeptionsmädel heraus: »Bitte faxen Sie das an diese Nummer.«
»Lieber Herr Danz«, hatte ich geschrieben, »wenn Sie nicht wollen, daß ich das gesamte Mobiliar meines Hotelzimmers aus dem Fenster auf den Hildesheimer Marktplatz werfe, dann schicken Sie jetzt das angekündigte Fax.«
Das Mädel guckte mich bange an.
»Ist schon gut«, sagte ich, »ist nur ein Spaß!«
Das schien mir die Rezeptionsmaid nicht zu glauben. Mit gerunzelter Stirn verschwand sie in ihrem Kabuff, um das Fax zu senden.
Ich saß da und wartete.
Minuten. Stunden.
Warum tue ich mir das an? Warum liebe ich einen Mann, der am anderen Ende der Welt ist? Warum lasse ich meine ganze Power und Energie in einer so ausweglosen Situation?
Warum gehe ich nicht zu Rüdiger zurück und führe mein Leben weiter wie zuvor?
WARUM, WARUM, WARUM?
Gerade als ich blutleer und bar jeder weiteren Hoffnung auf den Fahrstuhl zuschwankte, wedelte die übernächtigte Rezeptionsmaid mit einem Fax.
»Burgl, ich denke Tag und Nacht an dich«, stand da mit Computerschrift. »Du gehst mir wahnsinnig ab. Ich höre dich lachen, und ich höre dich singen, und hinter jeder Ecke sehe ich dich stehen, und dann will ich dich greifen, und dann bist du weg. Ich träume jede Nacht von dir. Burgl, das ist der Wahnsinn. Das habe ich noch nie erlebt. Ich habe bis jetzt ein trauriges Leben gehabt, mit ständigem Ein- und Ausschiffen, im wahrsten Sinne des Wortes. Du weißt gar nicht, wie einsam ich immer war. In einer höheren Position darf man sich auf dem Schiff nichts erlauben, wie du weißt. Man wird Tag und Nacht beobachtet, man ist wie auf einem Silbertablett. Ich habe auf dem Schiff keine Affären gehabt. Niemals. Und du, du bist keine Affäre für mich. Ich brauche dich. Du fehlst mir. Aber Burgl, du weißt, wir sind beide verheiratet. Es ist so wahnsinnig schwer, ich denke an meine zwei Töchter, die an mich glauben. Ich möchte sie nicht enttäuschen. Kannst du das verstehen? Bis jetzt hast du immer alles verstanden, Burgl. Mit dir konnte ich reden wie mit einem Mannsbild. Dabei bist du ein Weibsbild, wie ich es mir niemals ausgemalt hatte. Was soll ich tun, Burkharda? Soll ich es wirklich wagen? Hast du den Mut?
Mach dir keine Sorgen. Du bist bei mir drinnen, und da bleibst du auch. Hartwin«
Ich ließ das Schreiben sinken.
Die Kirchturmuhr von Hildesheim schlug Mitternacht.
»Rüdiger, ich verlasse dich.«
Rüdigers Augen waren tränenverschwommen.
»Burkharda! Als ich dich heiratete, warst du ein braves, liebes Mädchen! Du hattest einen anständigen Charakter. Und nun? Burkharda, dieser Hartwin ist es nicht wert!«
»Woher willst du das wissen?«
»Er ist ein ganz windiger Hund. Sagt auch seine Frau.«
»SEINE Frau? Die lebt in Los Angeles. Und hier ist Geilenkirchen, Mann!«
»Na und? Die Auslandsauskunft war so freundlich, mir die Nummer deines ... sauberen ... Herrn Danz in Los Angeles zu geben. Ich hatte Angela gleich am Apparat.«
»Angela? Duzt ihr euch etwa schon??«
»Ja. Wir sind richtige Freunde geworden.« Rüdigers Stimme wurde weich. »Sie ist eine ganz liebe, unschuldige, anständige Frau, Burkharda. So eine, wie du früher warst. Bevor du auf dieses Höllenschiff gegangen bist.«
Ich konnte es nicht fassen. Er hatte tatsächlich Hartwins Frau angerufen!!
»Bist du wahnsinnig?!« brüllte ich ihn an.
»Sie fiel natürlich aus allen Wolken! Sie ist seit zwanzig Jahren glücklich verheiratet. Und jetzt ist ihr Mann ein Ehebrecher.«
»Ehebrecher! Was für ein heuchlerisches, widerliches, bigottes Wort! Man kann nicht eine Ehe brechen, die keine mehr ist!«
»Und DU bist eine Ehebrecherin, liebe Burkharda!«
Dieses »liebe Burkharda« sprach er so widerlich und falsch und süßlich aus, daß mir ganz anders wurde.
»Sie war so unglücklich, und sie hat so bitterlich geweint, daß ich sie gleich am nächsten Morgen wieder angerufen habe. Sie hat keinen Menschen, nur mich!«
Ich starrte ihn fassungslos an. Zu was war der Mann fähig! Mein harmloser Kirchenmusik-Rüdiger!!
»Du hast dir damit den Todesstoß versetzt«, sagte ich kalt. »Ich liebe dich nicht mehr, und ich verlasse
Weitere Kostenlose Bücher