Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
Milieu! Die arme, anständige Angela leidet schrecklich! Wenn er dann mal nach Hause kommt, schlägt er sie und die Kinder. Er hält sie wie Sklaven, det sage ick Ihnen! Die armen, lieben Kinder nagen am Hungertuch. Er macht sich da auf seinem Luxusschiff ein feines Leben, und die arme, liebe Angela hat noch nich mal det Jeld für die Miete.«
Rüdigers Einwand konnte ich nicht verstehen.
»Ach, was glauben Sie denn! Det Jeld trägt er in den Puff! Und lädt reiche Passagierinnen zu Champagner und Kaviar ein! Det is ‘n janz windiger Hund! Ein janz zweifelhafter Character! Die arme, liebe Angela! Sie weint sich jeden Abend die Augen aus, während dieser gewissenlose Mann eine Frau nach der anderen verführt! Aber wissen Se, Herr Meier, ohne seine Uniform is der nur noch halb so schön! Er hat uns mal mit seiner Familie auf Föhr besucht, wissen Se, da haben wir ein Ferienhaus. Und da hab ick ihn in kurzen Hosen jesehen. Machen Se sich keene Sorgen! Er is ohne seine Uniform nich besonders attraktiv!«
Die mitteilungsfreudige Frau Landmann redete noch gut und gern zwanzig Minuten. Ich war schon hinter dem Geilenkirchener Feuerwehrteich, als sie endlich den Hörer an ihren Mann, Wolfgang Landmann, weiterreichte.
Rüdiger sagte irgend etwas, das wie »Entschuldigen Sie bitte die späte Störung, aber Ihre Gattin war so freundlich, mir Auskunft über Ihren Freund Hartwin Danz zu geben ...« anhörte. Es war so grotesk! Ich mußte laut lachen, während ich durch die Kottenforster Pfützen trabte.
Wolfgang Landmann konnte dann noch beisteuern, daß Hartwin Danz ganz und gar unzuverlässig sei: »Vor einigen Jahren, da wollte er unbedingt das Haus kaufen, in dem Angela jetzt wohnt. Ihm fehlten noch genau zehntausend Dollar. Ich habe sie ihm nicht geliehen, obwohl ich es natürlich gekonnt hätte.«
Feine Freunde, dächte ich. Fürwahr. Superfeine, edle Freunde. Solche wünscht man sich immer und findet sie nie.
Dann berichtete dieser Wolfgang Landmann noch sehr ausführlich über Hartwins finanzielle Lage, über dessen Eigentum und Schulden und über seine beruflichen Fehlschläge. Schließlich lachte er jovial.
»Lassen Sie Ihre Frau ruhig wieder an Bord gehen. Sie wird schon zur Besinnung kommen! Wahrscheinlich hat Hartwin längst eine neue Flamme da unten!«
Rüdiger bedankte sich untertänigst für die erschöpfende Auskunft.
»Aber das muß unter uns bleiben«, sagte der mitteilungsfreudige Wolfgang Landmann. »Sie dürfen Ihrer Frau nicht sagen, daß wir so offen gesprochen haben. Wissen Sie, wir wollen ja nur das Beste für Angela und die Kinder!«
»Da können Sie ganz sicher sein«, sagte Rüdiger. »Dieses Gespräch wird natürlich vertraulich behandelt.«
Daß der liebe Rüdiger ein Tonband hatte mitlaufen lassen, vergaß er dem lieben anständigen Herrn Landmann mitzuteilen. Ich kam gerade keuchend an der Haustür an, als endlich der Hörer aufgelegt wurde.
Das ganze Gespräch hatte eine geschlagene Stunde gedauert.
Hartwin! Warum rief er nicht an?! Warum kam kein Fax?! Gewiß hatte er über die Ostertage viel zu tun.
Gala-Menü, Gala-Diner, Gala-Empfang. Vollgestopftes Schiff, überbucht. Wahrscheinlich waren die Passagiere unzufrieden, beschwerten sich unaufhörlich über Kleinigkeiten, stritten sich, und Hartwin mußte schlichten. Aber ein kleiner Anruf? Ein klitzekleiner Anruf??
Und was, WENN er anrief? Er hatte ausgerechnet heute Geburtstag! Sollte ich ihm sagen, was ich wußte? Sollte ich ihm sagen, daß seine Frau alles wußte? Sie würde heute mit ihm telefonieren, sicher! Und die sauberen Landmanns auch! Sie würden ihm zum Geburtstag gratulieren! Sollte ich Hartwin sagen: Herzlichen Glückwunsch, du Eierloch, du bist ja ‘ne feine Ratte, und was du für Freunde hast, ich muß schon sagen, erste Sahne, und wen vögelst du denn gerade auf deiner Geburtstagstorte? Sollte ich ihm sagen, daß ich das Tonband seiner sauberen Freunde gehört hatte? Oder hatten sie ihm inzwischen etwa alles gesagt?
War das der Grund, warum er nicht mehr anrief?
Ich trug das Handy mit mir herum, Tag und Nacht, zum Joggen und zum Arbeiten, zum Schlafen und ins Bad.
Sechs Tage kein Lebenszeichen. Kein »Servus! Wie geht’s?«. Ich wollte sterben.
Rüdiger höhnte: »Na, hat dein sauberer Herr Danz sich noch nicht gemeldet? Der bumst doch längst eine andere! Vergiß ihn, Burkharda, und komm zu mir zurück! Noch kannst du umkehren! Du bist über dreißig! Was denkst du denn?«
Aber ich wollte nicht umkehren.
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