Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
Belanglosigkeiten.
Dann stand ich auf, räumte das Kaffeegeschirr ab und trug es in die Küche. Wie in alten Zeiten begann ich, das Geschirr zu spülen. Hauptsache, ich konnte irgend etwas tun, das mich am Weinen hinderte. Ich fühlte mich wie ein dummes Kind.
»Aber Burkharda! Du mußt doch hier nicht spülen!«
»Laß mich nur, Mutter. Ich will dir wirklich keine Arbeit machen.«
Ich beugte mich über das Spülbecken. Um alles in der Welt sollte meine kleine alte, sorgenzerfurchte Mutter nicht merken, daß mir die Tränen über die Wangen liefen und ins Spülwasser tropften.
Zehn Minuten später saß ich bereits wieder im Auto.
Aber wohin? WOHIN??
Wie blind fuhr ich durch die Gegend. Wo war noch mein Zuhause? Rüdiger hatte alle meine Freunde angerufen.
Sie sollten mich zur Vernunft bringen.
Aber der Wagen war schon viel zu festgefahren.
Warum meldete sich Hartwin nicht? Ich wurde ganz krank.
Hartwin ein brutaler Macho? Ein Schwein? Ein Betrüger? Einer, der seine Frau schlug? Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich wollte weg. Weg von Rüdiger. Weg von Deutschland. Weg von allen, mit denen Rüdiger bereits hinter meinem Rücken telefoniert hatte. Ich hatte keinen Boden mehr unter den Füßen.
Irgendwann setzte ich den Blinker und fuhr zum nächstbesten Reisebüro.
»Wann geht der nächste Flug nach Neuseeland?«
»Frühestens in vier Wochen.«
»Australien?«
»Ebenso.«
»Karibik? Südsee? Tasmanien?«
»Zur Zeit sind Osterferien. Da ist alles komplett ausgebucht.«
Ein drittklassiger Ferienclub in Guatemala hatte noch vereinzelte Single-Plätze frei. Es ging bereits übermorgen los.
»Nehmen Sie die Einwochen-Pauschale oder die Zweiwochen-Pauschale?«
»Kein Rückflug.«
»Aha ...« Die Dame hinter dem Schalter hackte etwas in ihren
Computer. »Dann wird es aber teurer ...«
»Egal.« Von mir aus konnte ich im Urwald von Guatemala für immer verschwinden.
Ich leistete eine Anzahlung.
»Ihren Paß bräuchte ich bitte.«
Ich kramte in meiner Handtasche.
Der Paß aus meinem Innenfutterfach war weg.
»Du hast mir meinen Paß weggenommen!«
»Nur zu deinem Besten, liebe Burkharda. Damit du nicht wieder auf dieses Höllenschiff gehen kannst.«
»Gib ihn mir wieder, verdammt!!«
»Du willst ja sogar nach Guatemala fliegen! Hauptsache Vergnügen, was?«
»Woher weißt du das schon wieder?!«
»Die Dame aus dem Reisebüro war so freundlich, mich anzurufen. Sie singt bei mir im Kirchenchor.«
Ich war gefangen. Kurz nach der Jahrtausendwende, in einem
westlichen, zivilisierten Land.
Als Ehefrau eines spießbürgerlichen Kirchenmusikers.
»Alles nur zu deinem Besten, Burkharda. Bitte hör dir das Tonband von den Landmanns an.«
»NEIN! NIEMALS!«
Ich wollte schreien, mit den Fäusten gegen die Tür hämmern.
»Du rennst in dein Unglück! Das will ich vermeiden! Du wirst mir später dankbar sein!«
»Ich bin erwachsen! Deine Selbstherrlichkeit ist unerträglich!! Wie KONNTEST du meine Mutter anrufen?! Hast du überhaupt keine moralischen Grenzen?!«
»DU hast keine moralischen Grenzen, meine liebe Burkharda! Du hast jetzt deine Krise, weil deine biologische Uhr tickt. Es ist meine Pflicht als dein Ehemann, dich an weiteren Untaten zu hindern!«
Ich rannte wutschnaubend aus dem Zimmer. Wo sollte ich hin? WOHIN??
Wie in Trance zog ich mir meine Joggingklamotten an.
Die Weiterbildungskassette aus dem Rusch-Verlag »Bei Anruf Erfolg« von gestern mußte noch im Walkman sein.
Automatisch trabte ich los. Durch den Geilenkirchener Kottenforst. Zuerst hörte ich gar nichts. Nanu? Batterie schon wieder alle? Doch dann: ein Rauschen, Knacken, Tuten.
»Landmann?!«
»Guten Tag, Frau Landmann, mein Name ist Rüdiger Meier, ich bin der Mann von Burkharda Meier, und unsere gemeinsame Freundin Angela Danz gab mir freundlicherweise Ihre Nummer ...«
»Jaja«, sagte die alte, tiefe Stimme der Frau Landmann leidend, »det is ja ‘ne schreckliche Jeschichte.«
Ausjewanderte alte Berlinerin, schoß es mir durch den Kopf. Ich wollte mir die Kopfhörer von den Ohren reißen und in die Büsche schmeißen. Aber da redete die Alte schon weiter.
»Die arme, arme Angela hat uns schon allet erzählt. Wissen Se, wir sind alte liebe Freunde von der armen, lieben Angela, und det der Hartwin ‘n janz falscher Hund is, det ham wa schon imma jewußt.«
Rüdiger sagte irgend etwas, das durch Rauschen und Knacken unverständlich blieb.
»Ja, er is natürlich durch seinen Beruf in ‘nem janz halbseidenen
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