Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
begeistern zu wollen! In dem Moment kam die laut lachende Gloria mit dem dicklichen anderen Bänker, und dann lachte ich laut, und Ulrich lachte erst rechcht laut, und ich fing einen Adlerblick von Frau Adlerhorst auf, die es anscheinend völlig unpassend fand, daß wir ihr schon wieder die Show stahlen. Wo sie doch den Gold-Star-Kurs in allen Standard- und Gesellschaftstänzen absolviert hatten!! Wofür denn bloß, hä? Damit man sie bewunderte und bestaunte! Und nicht, damit ein paar hergelaufene halbseidene Bänker und Künstler und Journalisten, allesamt Leute, die keinen Pfennig bezahlten, sich hier aufführten, als gehörte ihnen das Schiff!
Ulrich und ich ließen keinen Tanz aus, Gloria und der phlegmatische Schweizer auch nicht, dann kam noch der Hoteldirektor mit seiner rundlichen Frau Mareike, und der Schiffsarzt mit den unappetitlichen Mundwinkeln, Herr Dr. Hundtgeburth, schob eine Dialyseschwester vor sich her, und so hatten wir bald die Tanzfläche im Griff. Am Rande stand wohlwollend mein neuer Freund, der alte Einhandsegler, und am anderen Ende stand mein alter Freund, Professor Weißenreim, mit einem Glase Mineralwasser in der Hand. Sicher hatte er wieder ein passendes Verslein auf den Lippen. Alle amüsierten sich prächtig, während wir die tausendste Seemeile auf dem Stillen Ozean vor uns hin trieben. Einzig die Adlerhorsts kämpften sich schmallippig um uns herum.
»Das wird der Reederei zur Kenntnis gebracht«, giftete die Frau mit der Stopffrisur.
Ich hörte auf zu tanzen und gesellte mich zu meinem gutartigen Freund, dem dichtenden Professor.
»Was fällt Ihnen zu der aufgeplusterten Heuschrecke ein?«
»Erst die Verpackung schafft die Mythe,
Sei’s schickes Kleid, sei’s bunte Tüte,
Und je bescheidener die Füllung,
Um so gekonnter die Umhüllung.
Was für den Kaufmann die Reklame,
Das ist die Mode für die Dame,
Und die, zwecks männlicher Erhitzung,
Leiht nur den Kurven Unterstützung,
Zeigt Busen, Schultern oder Knie –
Das Ziel der Kurven aber nie!«
Der Mann hatte immer den passenden Zehnzeiler parat! Diesmal von Herrmann Mostar. Ich war beeindruckt.
Diese ständige Dichterei wirkte ansteckend. Das wäre doch gelacht, dachte ich, wenn ich das nicht auch hinkriegte! Ich setzte mich, kritzelte auf einen Bierdeckel und verlas binnen zwei Minuten meinen Erguß:
»Die Frau, die sich so gar nicht fühlte
als was Besondres, tja!, die wühlte
sich in die Haare ein paar Reste
und trug die dann zu jedem Feste
zu einem Turme aufgetürmt.
So kühn verkleidet abends stürmt
sie bösen Blickes gern zum Tanz.
Ihr armer Mann, er heißt wohl Hans,
viel kleiner wirkte jäh ihr Gatte,
was sie anscheinend auch vorhatte.
Sie fühlt sich groß, er fühlt sich klein,
das muß für manche Frau’n so sein.«
Ich grinste.
»Welcher Dichter?« fragte irritiert mein guter Professor.
»Ich«, sagte ich keck. »Geil, woll?!«
Der Professor wollte mir nicht glauben. »Das haben SIE ... selbst ... gedichtet?«
»Klar«, strunzte ich stolz. »Na ja, gedichtet ist zuviel gesagt. Gereimt.«
»Wahnsinn, das ist der Wahnsinn, du, da kannst du auch noch dichten, du, ja Wahnsinn, wie du das kannst, du, ich bin wirklichch beeindruckt, du!« ließ sich der kleine Schweizer vernehmen. Er schwitzte vom Tanzen und hielt zwei prallvolle Champagnergläser in der Hand.
Wir tranken. Hach, was war das für ein Leben auf diesem wundervollen Schiff! Wie wohl ich mich doch fühlte! Wenn das meine Geilenkirchener Kirchenchorfrauen sähen! Oder Rüdiger gar! Kinder, nein, was war ich in meinem Element! Schade nur, daß das der neunmalkluge Kreuzfahrtdirektor nicht mitbekommen hatte. Wo steckte der bloß? Leider interessierte er mich. Verdammt. Das hatte ich doch verhindern wollen!
Wir winkten unsere Freunde von der Tanzfläche, und dann verlas ich mein Machwerk vom Bierdeckel noch einmal, und dann lachten wir alle so laut und hämisch und schadenfroh, daß Frau Adlerhorst sich wirklich verarscht fühlen mußte. Und ihr kleiner Dicker noch dazu. Doch was scherte es uns? Wir amüsierten uns prächtig.
Später, als die achtköpfige bulgarische Bänd ihre Brocken zusammenpackte, stapften wir noch unternehmungslustig in den »Eitlen Fratz“, die Bar am Heck auf Deck sechs. Ich hatte den kleinen Schweizer am einen Arm, den Einhandsegler am anderen, und Gloria, die rege Journalistin, schleppte den Dichter und den Doktor mit sich. Hinter uns schlenderten noch tatendurstig Larry, der Tontechniker, Anthony,
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