Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
Klavierbegleiter von der Diseuse aufs Auge zu drücken«, maulte ich schnippisch. Ich wollte unbedingt das letzte Wort haben.
»Wieso? Der sieht doch ganz schnuckelig aus! Paßt optisch wesentlich besser zu Ihnen als zu seiner Glucke.«
Das zynische Grinsen wurde unerträglich.
O Gott. Auf welches Niveau war unsere Dienstbesprechung gesunken?
Ich räusperte mich. »Eine letzte Frage: Das mit dem Passagierstatus – gilt das auch für die Liegestühle?«
»Selbstverständlich. Sie können sich legen, wohin Sie wollen. Wir haben hier ein paar Weltreisende, die meinen, nur weil sie zweihunderttausend Mark bezahlt haben, gehört ihnen das Schiff. Das sind meine Sargnägel, zum Teil unerträgliche Dumpf-backen. Also. Lassen Sie sich nicht abschrecken. Das gilt auch für die Wahl des Restaurants. Sie haben Passagierstatus. Sagte ich ja bereits.«
Guten Tag, Sie Arschloch, wollte ich sagen, aber ich biß mir auf die Lippen, als ich wortlos das Etablissement verließ.
Beim Abendessen kam ich diesmal neben dem Einhandsegler Hasso von Tegern zu sitzen. Er war ein kleiner, kahlköpfiger alter Mann mit blitzenden Augen und einem spitzbübischen Lachen.
»Und Sie haben tatsächlich mehrmals allein die Welt umsegelt?« fragte ich ihn bei Flounderfilet, gebraten in Haushofmeisterbutter. Er nickte und strahlte und erzählte mir, wobei er mir immer wieder charmant Wein nachschenkte, von seinen Abenteuern. Einmal war er im Jemen entführt worden, von wilden Burschen mit Lendenschurz und Säbel, die ihn in einem dunklen Verlies einbuchteten. Ein anderes Mal war er vor Grönland gekentert und hatte, dem Erfrierungstode nahe, mit einer Suppenkelle sein Boot ausgeschöpft, nachdem er es in stundenlanger Arbeit wieder umgedreht hatte. Ein drittes Mal war er dem Sonnenstichtode nahe, als er sechzig Tage ohne eine Meeresbrise bei den Kleinen Antillen trieb. Alles in allem ein hochinteressanter Mann, der mir jeden Film und jeden noch so spannenden Roman ersetzte. Als wir nach vier Stunden bei Eiskaffee Jaffa mit Pistazienkernen angekommen waren, hatte ich einen völlig verdrehten Hals, weil ich immer nur nach rechts geschaut hatte.
»Und Sie, Sie haben großartig gesungen gestern abend«, sagte Hasso, auf einem Pistazienkern kauend.
Unsere gemeinsame Flasche Rosé war nun leer.
Der Steward schwebte herbei und fragte, ob er noch eine öffnen dürfe.
Gerade als ich antworten wollte: »Klar doch, gerne, man gönnt sich ja sonst nichts!«, kam der rundbebrillte kleine Schweizer herbeigeeilt, der uns vom Nachbartisch aus beobachtet hatte.
»Jetzt habe ich mich vier Stunden geduldet, jetzt bin ich mal dran!«
»Mit was?« fragte ich entgeistert.
»Na, mit Tanzen, odr!«
Der alte Hasso zog die Schultern hoch und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ulrich der Begeisterte zerrte mich mit sich fort und bugsierte mich zwei Treppen hinunter in den »Fürst-Rainier-Saal“, wo soeben der Liederabend des Tenors zu Ende ging.
»Schade, klaine Frrau«, sang er, »isch hätte disch gelippt wie niemand zuvor auf där Wällt! Isch tu, was isch kann, doch du hast einen Mann, der sähr viel von Trräue hällt!«
Was für ein süßes Lied! Schade, daß ich den Liederabend verpaßt hatte. Dieser Anthony hatte eine tolle Stimme, und sein Repertoire war anscheinend genau das richtige für dieses Schiff.
»Du, das ist der Wahnsinn, du«, begeisterte sich Ulrich unverdrossen, als er mich durch den festlich beleuchteten »Fürst-Rainier-Saal“ schob.
»Was ist der Wahnsinn?«
»Wie du zuhören kannst, du!« sagte der Schweizer Bänker, während er mich aufs Parkett zog.
Der Vorhang hinter dem Tenor war noch gar nicht richtig zugegangen, und ich hatte das Gefühl, daß er gern noch eine Zugabe gegeben hätte. Hatte ich etwa schon wieder einen Feind mehr? Aber nun strömten die Tanzpaare auf die Tanzfläche. Allen voran natürlich Familie Adlerhorst. Das Vogelnest saß wieder eins a. Ich überlegte, während ich in Ulrichs Armen über das Parkett schwebte, ob sie den Inhalt ihres Staubsaugers darin verstaut hatte.
»Wie, ich kann zuhören?«
»Na, ich habe dich jetzt vier Stunden lang beobachtet«, krächzte Ulrich begeistert. »Wie der alte Kchärl da auf dich eingequatscht hat, du, Wahnsinn, du! Und du hast zugehört, du, mit einer Liebenswürdigkeit, du, na wirklichch, das ist der Hammer, du!«
»Wie du meinst«, sagte ich geschmeichelt. Von der Warte hatte ich das noch gar nicht betrachtet! Dieser Ulrich schien sich einfach per se für mich
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