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Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Titel: Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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unendlich gut. Längst schwitzte ich unter meiner Regenweste. Mein Haar war klatschnaß.
    Als ich in unsere Straße einbog, sah ich schon die kleinbürgerlichen Kleinwagen von Rüdigers Verwandtschaft vor der Haustür stehen.
    Der klapperige Kleinbus holperte über das Hafengelände von Dubai. Außer mir hingen noch zwölf müde Gestalten in dem rumpelnden Gefährt. Unsere sperrigen Koffer hatten wir in den Mittelgang und auf die freien Sitze stapeln müssen. Es war zwei Uhr morgens. Vor vier Stunden schon waren wir gelandet. Aber niemand hatte uns abgeholt, niemand kümmerte sich um uns. Es gab nur einen vermummten Busfahrer mit Turban, der Kautabak kaute und sich nicht einen Deut darum scherte, ob er Menschen karrte oder Esel oder tote Fische.
    »Diese Kanaken hier in den Kanakenstaaten«, maulte einer der Musiker, der sich krampfhaft an seinem Geigenkasten festhielt. »Die können sich ja alles erlauben. Stinkend reich sind die, wegen ihrem Öl!«
    »Genau«, murmelten seine Kollegen.
    Ich hörte gar nicht richtig hin. Fred! Ich würde Fred wiedersehen! Meinen heißgeliebten Fred!
    FRED!! Ich reite durch die Dornenhecke! Ich beweise es dir!!
    Und dann kam der gigantische Augenblick, als ich die »MS Blaublut« im Hafen liegen sah.
    Mein Herz stand still. DA! Welch wunderbarer, märchenhafter, gigantisch unwirklicher Anblick, mitten in den schäbigen nächtlichen Hafenanlagen, zwischen Tauen und Netzen, Booten und Tankern, alten Autoreifen und Drahtgestellen, ausrangierten Autobussen, ausgeschlachteten Autos, kaputten Fahrrädern und verrosteten Tankanlagen, MEIN Schiff, mein GELIEBTES, PRÄCHTIGES, HERRLICHES Schiff liegen zu sehen! Majestätisch und leise, weiß und riesig wie ein verwunschenes Schloß lag die »MS Blaublut«, geschmückt mit unzähligen bunten Lampions, an der Hafenmauer von Dubai, und mein erster Gedanke war: WER mag das Schiff wohl dort hingesteuert haben? Gibt es einen neuen Kapitän?
    Ich wollte raus, rausspringen aus diesem gräßlichen engen Bus und rennen, RENNEN! Mit offenen Armen und fliegenden Haaren meinem Schiff, der Heimat MEINES Märchenprinzen entgegen, und ich wollte schreien, ganz laut: FRED, ich hol dich! FRED, ich bin gekommen! FRED, ich bin wieder da!!
    Aber der verhüllte Fahrer mit dem Turban ließ mich nicht aussteigen. Ich rüttelte an der morschen Tür.
    Die anderen zogen mich zurück. Sie waren alle müde, übernächtigt, verschüchtert, gehörten sie doch zur Crew, waren aber neu. Zwei Deckstewardessen, junge Mädels in Jeans, die Kaugummi kauten und genervt zur Decke blickten, dann die drei alten Nazis mit ihren Musikinstrumenten, die fanden, daß alle Bewohner der Vereinigten Arabischen Emirate »Kanaken« waren, ein finnischer Pianist, den ich witzig fand, ein Bariton, der nett aussah, zwei Restaurantstewards und ein paar Arbeiter für den Maschinenraum.
    Keiner hatte je zuvor die »MS Blaublut« gesehen.
    »Da liegt sie! Sieht sie nicht hinreißend aus?!«
    »Ja ja“, murmelten die anderen.
    »Abholen hätten sie uns können«, maulte der Alte mit der Geige. »Setzen uns hier den Kanaken aus!«
    »Auf den anderen Schiffen ist uns das noch nie passiert«, zeterte der andere mit dem Cello, das nur mühsam Platz in diesem Bus gefunden hatte. »Die Künstler so zu behandeln!«
    Endlich hielt der Turban-Fahrer vor einem verlassenen Zollgebäude. Er wies uns alle an auszusteigen.
    Ja! Jetzt wollte ich zum Schiff rennen! Aber da war ein eisernes Gitter! FRED!! Siehst du mich!? Ich KOMME!!
    Wir quälten uns und unsere eingeschlafenen Gliedmaßen aus dem engen Gefährt. Jemand rammte mir seinen Koffer ins Kreuz. Verdammt!
    Der Fahrer wies uns an, vor dem Gitter zu warten. Dann verschwand er im Inneren des Zollgebäudes. Wir standen. Und warteten. Die anderen rauchten. Ich knibbelte vor Erregung an meinem Daumennagel. Die beiden Kabinenstewardessen fingen an zu heulen.
    Nach über einer Stunde kam der Turban-Fahrer mit einem weißverhüllten Großwesir zurück. »Passport!«
    »O nein! Nicht schon wieder!«
    Immerhin hatten wir am Flughafen etwa siebenmal unseren Paß gezeigt, dazu Formulare ausgefüllt, daß wir unsere Paßnummer längst auswendig konnten.
    Der Großwesir wedelte unwillig mit der Hand. »Passport!«
    O.K., O.K., sollte er haben.
    Er verschwand mitsamt Fahrer und unseren dreizehn Pässen erneut hinter den Gittern. Meine Wiedersehensfreude wurde auf eine harte Probe gestellt. Die drei Musiker wurden immer ungnädiger. »In unserem Land würden solche Kanaken

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