Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
lachte kalt. »Arsch-Memory hab ich schon geschafft. In sieben Minuten.« Er zog gierig an seiner Zigarette.
Und dann widmete er sich intensiv den weiblichen Busen.
Ich hockte mich schräg hinter ihn. Jetzt bloß keine falsche Prüderie! Ich war hart im Nehmen, und ich wußte genau, daß dies hier wieder mal ein Test war.
»Der da, der Schielende. Der ist unten links noch mal.«
Fred klickte die Busen an und rauchte und lachte herb, und ich betrachtete seinen Nacken und wußte, daß ich in einer Stunde von ihm weg sein würde, und zwar so weit weg, daß der Mond wieder aufrecht stehen würde.
Wir spielten sehr ernsthaft und zeitintensiv das Busen-Memory. Nach einer Viertelstunde hatten wir alle Busenpaare einander zugeordnet. Fred hatte noch nicht einmal den Blick gehoben, um mich anzuschauen.
Unsere Zeit rann dahin wie der Sand in einer Eieruhr.
»Du, ich muß dann jetzt gehen«, sagte ich schließlich. Ich fühlte mich so unwohl wie noch nie in meinem Leben.
Was hatte ich alles getan! War er das wert?
»Tja«, sagte Fred, indem er mit der Maus ziellos auf dem Bildschirm, herumwanderte.
»Bringst du mich noch raus?«
Kind! schrie Hättwich. Laß ab von dem Mann! Larry hat recht! Er ist es nicht wert!
Doch, dachte ich trotzig. Mit jedem Mord passen wir mehr zueinander. Wir haben einander verdient.
Fred legte die Maus beiseite, zündete sich eine Zigarette an und schaute auf die Uhr. »Muß früh raus morgen. Die neuen ...«, er guckte mich von schräg unten links an, »... Tussis kommen morgen.«
»Tja, dann ...«, sagte ich. Und fühlte einen stechenden Schmerz im Herzen brennen. Sollte das wirklich ALLES gewesen sein? Wollte er mich noch nicht mal zum Flughafen bringen? Geschweige denn, wenigstens ein Taxi für mich rufen und mir mit dem Gepäck behilflich sein?
»... dann mach’s mal gut«, rang ich mir aus der Kehle.
Ich blieb immer noch stehen. Er hockte weiterhin auf seinem Schemel. Gerade drückte er seine Zigarette aus.
Hättwich drosch mit ihrem Krückstock auf mich ein. Jetz-isses-aber-gut!! Der-Mann-isses-nicht-wert!! Hau ab! Ohne dich noch mal umzudrehen!! Klar?!
Ich küßte ihn flüchtig auf die Wange. »Tschüs.«
»Tschüs«, sagte er, ohne mich anzusehen.
Und dann ging ich.
Der Flug von Neuseeland nach Frankfurt dauerte fünfundzwanzig Stunden. Mit Zwischenlandung in Singapur.
Hättwich saß neben mir auf dem freien Platz. Kind, sagte sie und schüttelte betrübt ihr schlohweißes Haupt. Was hast du da nur gemacht.
»Ich bin krank vor Liebe, Hättwich.«
Ja. Das bist du. Was hat dieser Kerl nur, daß du so neben dir stehst?
»Ich weiß es nicht, Hättwich. Vielleicht brauch ich einfach ‘n Macho?!«
Aber Kind! Schau doch mal auf deinen Rüdiger zu Hause! So ein gediegener, lieber und zuverlässiger Mann.
»Das IST es ja gerade, Hättwich. Der ist völlig blutleer, jeder Tag verläuft gleich, ich seh ihn immer nur auf seiner Orgelbank hocken, unser gesellschaftliches Leben ist oberspießig, das alles ist mir zum Speien langweilig geworden. Ich will LEBEN!«
Aber Kind! Gib dich zufrieden und sei stille!
NEIN! schrie der kleine Häwelmann. Ich will mehr!! Leuchte, alter Mond, leuchte!!
»Das KANN es doch noch nicht gewesen sein! Ich bin gerade einunddreißig. Seit fünfzehn Jahren dreht sich alles um Rüdiger und sein Orgelspiel. Jeder Sonntag verläuft gleich, jeder Alltag verläuft gleich. Rüdiger ist ein Zahnrad in der Kleinstadtkette. Er mag sich da drin wohl fühlen und sich bis zu seinem seligen Ende weiterdrehen in diesem Zahnrad. Aber ICH! Ich will da RAUS!! Und nach dem, was inzwischen passiert ist, gehöre ich da nicht mehr rein!«
Tja, sagte Hättwich betroffen. Das mag stimmen. Aber wie willst du nun weiterleben?
»Ich WERDE weiterleben. Auf MEINE Weise. Da laß ich mir von niemandem reinreden. Rüdiger und ich, wir passen nicht mehr zusammen.«
Wirst du es ihm sagen?
»Ja. Aber noch nicht jetzt. Ich muß erst nachdenken.«
Weihnachten war diesmal irgendwie anders. Wie immer hatte Rüdiger verschärft Kirchendienst. Er war mir noch nie so dünn vorgekommen. Krumm und dünn. Wie er da an seiner Orgel saß ... wie Lehrer Lempel. Ich registrierte ihm, wie immer. Blätterte ihm die Noten um. Stellte die Nummern der Lieder ein für die Gemeinde. Und die vielen grauen und braunen Mäntel unten in der überfüllten Kirche sangen »O du fröhliche ...«. Es war, als wäre ich nie weg gewesen. Dabei war ich ein neuer Mensch geworden.
Ein schlechter Mensch,
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