Mord an der Leine
den freundlichen Zeitgenossen gehörte. Selbst bei der Einfahrt auf
das Gelände des Landeskriminalamtes hatte sie Probleme gehabt, weil man ihr den
Zutritt verweigern wollte und sie für eine Besucherin hielt, die keinen
Anspruch auf einen der wenigen Parkplätze hatte.
Madsack saß an seinem Schreibtisch und bediente mit
ausgestreckten Armen die Tastatur seines Computers. Zwischendurch griff er
automatisch zu einem mit Butter beschmierten Croissant, das auf einem Teller
neben dem Telefon lag. Erst als er ebenso mechanisch zur Kaffeetasse griff,
hielt er mitten in der Bewegung inne. »Entschuldigung. Möchten Sie auch eine?«
»Danke. Ich kenne mich inzwischen aus und hole mir
selbst eine.« Sie stand auf und trat auf den Flur, um Uschi Westerwelle im
Geschäftszimmer aufzusuchen. Im Türrahmen stieß sie mit der Schreibkraft
zusammen.
»Morgen, Frau Dobermann. Ich wollte gerade Bescheid
sagen. Der Chef bittet darum, dass wir uns zusammensetzen.«
»Richter?«
Frau Westerwelle grinste. »Nee. Herr Ehlers.« Während
die Sekretärin die anderen Mitglieder des Teams informierte, ging Frauke in das
Besprechungszimmer.
»Guten Morgen«, begrüßte sie Kriminaloberrat Ehlers,
der hinter einem Stapel Unterlagen am Kopfende Platz genommen hatte. »Haben Sie
sich schon eingelebt?«
»Gut Ding will Weile haben«, antwortete Frauke nach
der Begrüßung. »Im Augenblick fehlt es noch an der Infrastruktur. Ausweis.
Waffe. Büro. Arbeitsmittel.«
Ehlers lachte. »Es gibt den uralten Spruch: Schneller,
als die Polizei erlaubt. Dabei darf man nicht übersehen, dass wir eine Behörde
sind. Ich werde noch einmal nachhaken.«
»Können Sie bei der Gelegenheit auch fragen, wo die
Ermittlungsakten des früheren Falles bleiben?«
Ehlers zog fragend die Augenbrauen in die Höhe.
»Vor zwei Jahren wurde schon einmal gegen das jetzige
Opfer ermittelt. Wir müssen die Akten studieren, ob sich da eventuell Zusammenhänge
ergeben.«
»Das klingt plausibel. Wer hat die Unterlagen?«
»Ich weiß es nicht. Seit gestern warten wir darauf.«
Er wurde durch die anderen Mitarbeiter abgelenkt, die
im Gänsemarsch den Raum betraten und mehr oder minder leise ein »Guten Morgen«
murmelten, das Frauke und der Kriminaloberrat erwiderten. Richter blickte dabei
starr an ihr vorbei zu Ehlers, während Putensenf es ganz unterließ, zu grüßen.
»Ich wünsche auch Ihnen, Herr Putensenf, einen
wunderschönen guten Morgen«, konnte sich der Kriminaloberrat nicht verkneifen.
»Hallo, Herr Ehlers«, quetschte der Angesprochene
zwischen den Zähnen hervor.
»Und die Dame?«, fragte Ehlers zurück.
»Die habe ich schon begrüßt«, log Putensenf und nahm
geräuschvoll neben von Wedell Platz.
Richter fasste die am Vortag gesammelten Erkenntnisse
zusammen und las stichwortartig den Obduktionsbefund vor.
»Genau, wie Frau Dobermann vermutet hatte«, warf von
Wedell dazwischen und wurde von Richter mit einem bösen Blick abgestraft.
Dann berichteten reihum die anderen Teammitglieder.
»Ich habe mich am Arbeitsplatz erkundigt, wann Thomas
Tuchtenhagen gestern dort eingetroffen ist. Er war eine halbe Stunde später als
sonst. Das ist mit dem Zeiterfassungsgerät nachweisbar, das bei
Schröder-Fleisch eingesetzt wird.«
»Das verstehe ich nicht«, unterbrach ihn Putensenf.
»Ich war gestern noch einmal bei den Nachbarn unterwegs. Zwei Häuser weiter
wohnt ein Hubert Lehndorfer. Der ist Lehrer und verlässt jeden Morgen zur
gleichen Zeit sein Haus. Er behauptet, dabei immer Tuchtenhagen getroffen zu
haben, der sich ebenfalls um diese Zeit auf den Weg zur Arbeit macht. Und zwar
mit konstanter Regelmäßigkeit, wie Lehndorfer behauptet.«
»Und wie war es gestern?«, fuhr Frauke dazwischen.
»Herrje, nun lassen Sie mich doch ausreden«, schimpfte
Putensenf in ihre Richtung. »Glauben Sie, ich bin doof?«
Frauke hielt mit Mühe ein »Ja« zurück, nickte aber
unmerklich, was nur von Wedell registrierte, der den Anflug eines Lächelns
nicht zurückhalten konnte.
»Dem Nachbarn war gestern nichts aufgefallen.
Tuchtenhagen hat sich wie immer verhalten.«
»Dann ist es doch merkwürdig, dass er ausnahmsweise
später am Arbeitsplatz eingetroffen ist«, fuhr Lars von Wedell dazwischen. »Und
der unbekannte Anrufer, der gestern mit Jakob sprach und glaubte, der wäre
Tuchtenhagen, hat erzählt, dass Manuela Tuchtenhagen ein Verhältnis mit ihrem
Chef hatte.« Der junge Kommissar sah in die Runde. »Wäre es nicht denkbar, dass
ihr Ehemann Manfredi zur
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