Mord an der Leine
zu
besprechen.«
»Bei dir?«
»Teamraum. Sag Putensenf Bescheid.«
Man hatte Frauke nicht aufgefordert, an diesem
Gespräch teilzunehmen. Jetzt reichte es ihr. Es war verständlich, dass man in
Hannover wenig Begeisterung zeigte, dass eine Frau in die Männerdomäne einbrach
und andere Ermittlungsmethoden mitbrachte. Sie war Erste Hauptkommissarin,
Richter hingegen »nur« Hauptkommissar. Der Ermittlungsgruppenleiter sah seine
Felle davonschwimmen, obwohl Frauke es weder auf seine Position abgesehen hatte
noch seine Autorität hatte untergraben wollen. Ihr kam es auf den gemeinsamen
Erfolg an. Sie musste ein ernsthaftes Wort mit Ehlers reden.
Sie stand auf und suchte das Büro des Kriminaloberrats
auf. Es war verwaist. Ob Ehlers mit den anderen unter einer Decke steckte?
Warum hatte man sie von der Besprechung ausgeschlossen? Es konnte nur sein,
dass man über sie sprach.
Unschlüssig stand sie einen Moment auf dem Flur. Dann
fasste sie einen Entschluss. Sie ging nacheinander in die Büros der Mitglieder
der Ermittlungsgruppe und ließ dabei auch nicht den Raum des Vorgesetzten sowie
Madsacks Büro aus.
Nach einer Viertelstunde saß sie wieder auf dem
Besucherstuhl an Madsacks Schreibtisch, ohne dass jemand ihre Aktion bemerkt
hatte.
Sie nutzte die Zeit, um mit verschiedenen
Wohnungsmaklern zu telefonieren. Es störte sie, dass sie immer noch im Hotel
hauste. Hier, in Hannover, war alles auf »vorläufig« ausgerichtet: der
Arbeitsplatz, die Unterkunft, die Zusammenarbeit mit den Kollegen. Und auch der
kurze Kontakt zu Lars von Wedell war nur »vorläufig« gewesen, ging ihr voller Bitternis
durch den Kopf, als sie an den ermordeten Kollegen denken musste.
Es verging eine weitere Stunde, bis Madsack erschien.
»Es geht weiter«, sagte er atemlos. »Bassetti und sein
Anwalt wollen mit uns sprechen.«
»Mit uns?«
Frauke ärgerte sich im selben Moment über ihre Frage,
weil sie damit zu erkennen gab, dass es ihr etwas ausmachte, nicht mehr in das
Team eingebunden zu sein.
»Wieso?«, fragte Madsack erstaunt zurück. »Der Chef
hat es doch selbst angeordnet.«
Im Verhörraum warteten bereits Bassetti und sein
Anwalt. Der Verdächtigte spielte nervös mit den Fingern und sah kaum auf, als
die beiden Beamten eintraten. Dottore Carretta beschränkte sich auf ein kurzes
Nicken.
»Mein Mandant möchte eine Erklärung abgeben«, begann
der Advokat und legte eine lange Kunstpause ein, in der er seinen Blick über
den oberen Brillenrand zwischen Frauke und Madsack hin und her wandern ließ.
Dann tat er, als würde er in seinen Unterlagen kramen.
Frauke registrierte, dass Carretta mit dem Zeigefinger
seiner faltigen Hand am Rand von Papieren entlangfuhr, dabei die Bögen aber so
hielt, dass die beiden Beamten keinen Einblick nehmen konnten. Der Mann war ein
erfahrener Anwalt und wusste, dass man durch solche Mätzchen sein Gegenüber
nervös machen konnte. Sie hielt ihren Blick starr auf Carretta gerichtet und
schenkte ihm die Andeutung eines Lächelns.
Schließlich räusperte sich der Advokat.
»Mein Mandant hat einen Fehler gemacht.« Dabei warf er
einen fast väterlich wirkenden Seitenblick auf Bassetti. »Er hat ein
Techtelmechtel mit Manuela Tuchtenhagen gehabt. Das hat Marcello Manfredi nicht
gepasst, der bereits seit der Oldenburger Zeit ein Verhältnis mit Manuela
hatte.«
Carretta schlug die Augen nieder, klopfte sich
theatralisch mit der Faust gegen die Brust und neigte sein Haupt. »Wir
Italiener und amore «, sagte er und zeigte sein gelbes Gebiss, als er zu
lächeln versuchte.
Bassetti nickte eifrig, als müsse er durch eine solche
Geste die Worte seines Anwalts unterstreichen.
»Was soll ich sagen?«, fuhr Carretta fort. »Die beiden
haben sich gestritten. Welcher italienische Mann möchte schon freiwillig auf
eine schöne Frau verzichten?«
»Sie wollen doch nicht behaupten, Bassetti und
Manfredi hätten sich ernsthaft um die Ehefrau eines anderen gestritten?«,
fragte Madsack ungläubig.
»Si«, antwortete Carretta.
»Doch.«
Frauke maß die beiden Männer mit einem misstrauischen
Blick. »Weiter«, forderte sie den Anwalt auf.
»Alles ist aufgeklärt.« Carretta zeigte Frauke die
beiden offenen Handflächen. Es sah wie die Einladung zu einer Umarmung aus.
»Überlassen Sie solche Feststellungen uns«, sagte sie
unwirsch. »Und warum hat Ihr Mandant Frau Tuchtenhagen ermordet?«
»Das war ein Unfall. Ein ganz bedauerlicher.« Es sah
aus, als würde Carretta mitleiden und kurz vor einem
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