Mord an der Leine
Tränenausbruch stehen.
»Manuela und mein Mandant haben sich danach getroffen. Natürlich hat die Frau
Simone Vorhaltungen gemacht, weil er sein Temperament nicht zügeln konnte. Jede
Frau mag es, wenn ein Mann um sie kämpft. Aber wenn es dabei zu hitzig wird und
jemand unglücklich mit einem Fleischhammer zuschlägt, weil er sich gegen einen
Angriff gewehrt hat – ja, es war Notwehr.«
Carretta konnte trotz aller Professionalität nicht
verbergen, dass ihm dieser Gedanke gerade eingefallen war.
»Soso«, sagte Frauke spöttisch.
» Si . Notwehr.«
»Wir haben aber keine Kampfspuren feststellen können.«
»Da kann ich nichts zu sagen. Ich bin nur ein kleiner
Rechtsanwalt, kein Kriminalwissenschaftler. Vielleicht sollten Sie noch einmal
suchen lassen. Es müssen Kampfspuren vorhanden sein. Mein Mandant
bezichtigt sich doch nicht freiwillig dieser unglücklichen Tat.«
»Und warum hat er Manuela Tuchtenhagen getötet?«
Carretta verzog das Gesicht, sodass es nur noch aus
Falten bestand. Der Anwalt war ein hervorragender Schauspieler, befand Frauke.
»Ich bin seit vielen Jahrzehnten im Dienste der
Gerechtigkeit tätig. Aber von so einem unglücklichen Zufall habe ich in meinem
ganzen langen Leben noch nicht gehört. Als Manuela und Simone sich trafen, nach
dem Unglück mit Manfredi, hat die Frau ihm Vorwürfe gemacht.«
Carretta begleitete jede seiner Ausführungen mit einer
lebhaften Gestik, nur die durch die schmalen Augenschlitze kaum sichtbaren
Augen waren starr auf Frauke gerichtet. Jetzt legte er die Fingerspitzen beider
Hände gegen seine Brust.
»Ich verstehe die Frau. Sie hat ja recht gehabt. Auch
wenn man sehr liebt, darf man nicht so zornig werden wie mein Mandant. Wie soll
ich es erklären – es kam zu einem kleinen unbedeutenden Handgemenge zwischen
den beiden. Statistisch ist das nicht erklärbar, aber mein Mandant hatte das
Pech, innerhalb weniger Stunden in zwei Unfälle verwickelt zu sein.«
Bassetti nickte heftig zu den Ausführungen seines
Anwalts.
»Eine solche phantastische Lügengeschichte ist mir in
meiner ganzen Laufbahn noch nicht vorgetragen worden«, sagte Frauke. »Sie
beleidigen unsere Intelligenz, wenn Sie uns solche Märchen weismachen wollen.«
Jetzt hob Carretta beide Hände in Kopfhöhe, als wolle
er sich ergeben.
»Ich würde genauso reagieren wie Sie, Signorina .«
»› Frau‹ bitte!«
»Die deutsche Justiz ist eine der gründlichsten und
fairsten der Welt. Ich habe keinen Zweifel daran, dass in dem Prozess alles
aufgeklärt wird. Und mein Mandant wird alles tun, um zur Klarheit beizutragen.«
»Und wie erklärt er die Entführung Manuela
Tuchtenhagens?«
»Es gab nie eine Entführung. Das sind Hirngespinste
des gehörnten Ehemanns. Mir tut der Mann leid. Erst verliert er seine Frau an
zwei andere Männer, und dann kommt sie auch noch bei einem Unglücksfall ums
Leben. Da kann es vorkommen, dass er ein wenig wirr im Kopf wird.«
»Warum haben Sie den Polizisten ermordet?«, wandte
sich Frauke überraschend an Bassetti.
Der zuckte zusammen. »Ich habe keinen Polizisten
ermordet. Ehrlich«, stammelte er und sah hilfesuchend seinen Anwalt an.
»Da wäre noch etwas«, versuchte Carretta abzulenken.
»Damit Sie sehen, dass wir offen mit der Polizei kooperieren wollen. Die Sache
mit den Rauschgiftbriefchen im Schinken … Das war eine Dummheit. Dafür
übernimmt Simone Bassetti die volle Verantwortung.«
»Und der falsch etikettierte Schinken?«
»Mein Mandant ist doch nur ein kleines Licht. Er war
froh, Arbeit gefunden zu haben. Diesen Job hätte er doch sofort wieder
verloren, wenn er nicht das getan hätte, was man von ihm verlangte. Hinter
diesem Schwindel stecken Thomas Tuchtenhagen und der Geschäftsführer.«
»Alexander Steinhövel.«
Carretta nickte heftig.
» Si . Genau der. Ich bin es gewohnt als
Vertreter der kleinen Leute«, dabei zeigte er auf Bassetti, »dass man den
Großen nur schwer beikommt. Ich fürchte, es wird Ihre Aufgabe sein, die Beweise
gegen die beiden sauberen Herren zu sammeln. Ich meine, wegen des Betrugs mit
dem falschen Schinken.«
»Wo ist Manuela Tuchtenhagens Leiche?«
Carretta bekreuzigt sich rasch. »Die hat mein Mandant
in großer Panik in einem Waldstück bei Goslar vergaben. Gibt es mehr Beweise
für die Kurzschlussreaktion? Natürlich wird er die Polizei dorthin führen.«
Der Anwalt sah Bassetti mit einem fast väterlichen
Blick an. Dann legte er seine Hand auf die Bassettis.
»Wir sollten das Verhör an dieser
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