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Mord an der Mauer

Mord an der Mauer

Titel: Mord an der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Keil
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wolle auf dem Gelände ein Papierlager errichten. Zur Sprache kommen auch die bislang erlaubte kostenlose Nutzung des Geländes für die Gedenkstätte und der freie Zutritt für das Publikum. Der Axel Springer Verlag sichert zu, die Regelung könne fortbestehen. Über den Eigentümerwechsel und die Zusagen des Verlags informiert der Innensenator am 13. Juli den Regierenden Bürgermeister, betont aber, für weitere Maßnahmen der Verwaltung, »die für die Erhaltung der Gedenkstätte in absehbarer Zeit erforderlich werden können«, sei er nicht zuständig. Für die Polizei sei die Angelegenheit erledigt. Der Axel Springer Verlag dürfte aber sicherlich bereit sein, für eine Gedenktafel oder einen ähnlichen Ersatz der Gedenkstätte zu sorgen, so das Grundstück bebaut wird. Offensichtlich rechnet die Innenverwaltung damit, dass der Verlag das Fechter-Mahnmal trotz seiner Zusage abreißen lassen will. Genau das Gegenteil ist der Fall.
    Axel Springer verabscheut die Mauer zutiefst, für ihn symbolisiert sie eine »bauliche Unmenschlichkeit«, und er hegt für den Mut, die tödlich gefährlichen Sperranlagen zu überwinden, viel Sympathie. Erfährt er von Fluchtgeschichten, kümmert er sich mitunter persönlich um die Betroffenen. Bei Vorträgen erwähnt er Peter Fechter und andere Opfer, er mahnt Politiker in Briefen, solche Schicksale in der Tagespolitik nicht aus den Augen zu verlieren. Ähnliches gilt auch für seine Mitarbeiter. Am 28. November 1964 erinnert der Verleger sie daran, dass sie im neuen Verlagsgebäude in der Kochstraße einen Weg nach Deutschland gehen würden, »wenn man darunter versteht, dass es nicht lohnt, auf dieser Welt hohe Häuser für Zeitungen zu bauen, wenn man nicht eine Idee hat, die größer ist, als wir alle selbst sind. Eine Idee, die heißt: Freiheit für alle Deutschen in einem Vaterlande mit der rechtmäßigen Hauptstadt Berlin und inmitten eines friedlichen Europa!«
    Am 6. Oktober 1966 weiht Axel Springer das 19-geschossige Hochhaus in der Kochstraße ein. Zuvor legt er einen Kranz am Mahnmal nieder, das in Sichtweite des Verlagshauses steht. Für ihn ist Fechters Tod ein Symbol für den Freiheitswillen in der DDR. Deshalb steht für ihn außer Frage, das Mahnmal bestehen zu lassen, zu erhalten und zu pflegen. Anfang 1967 verständigt sich der Verlag mit den Behörden über eine Umgestaltung des Grundstücks, weil darauf neben dem Papierlager auch ein Parkplatz entstehen soll. Deshalb müssen der Zugang zum Peter-Fechter-Mahnmal verlegt und der Beobachtungsstand hinter dem Mahnmal auf der Charlottenstraße neu errichtet werden, die an der Mauer endet. Einen Unterstand mit Schießscharten will Springer ganz entfernen, »da das Postenhäuschen an der Charlottenstraße inzwischen mit einer Innenpanzerung versehen worden ist«. Die zuständige Polizeidirektion stimmt den Änderungswünschen zu – das Mahnmal bleibt.
    Das öffentliche Gedenken an Fechter ist zu diesem Zeitpunkt auf das übliche Maß zurückgegangen. Der Regierende Bürgermeister legt an jedem 17. August einen Kranz nieder. Dennoch bleibt das Mahnmal weiterhin eine Anlaufstelle, für das Kuratorium Unteilbares Deutschland ebenso wie für die Vereinigung für deutsch-italienische Freundschaft oder eine katholische Jugendorganisation aus Irland. Inzwischen ist das Kreuz von Dieter Beilig durch ein neues, stabileres ersetzt worden. Es trägt keine Aufschrift mehr, dafür sind ein Bild des sterbenden Peter Fechter und eine kleine Tafel mit Erläuterungen angebracht. Wenn Kameramann Herbert Ernst beauftragt wird, zu Jahrestagen Aufnahmen von der Mauer zu drehen, fährt er wie selbstverständlich zum Fechter-Mahnmal – denn das gehört für ihn in jeden derartigen Film.
    Äußerlich hat sich Helmut Kulbeik gut eingelebt in West-Berlin. 1967 heiratet er seine Freundin Susanne Schirmer. Kurz darauf fährt sie allein mit einem Passierschein nach Ost-Berlin, um die Familie ihres Ehemannes kennenzulernen und zu berichten, wie es ihm geht. Die Kulbeiks holen sie an der Friedrichstraße ab und begegnen ihrer Schwiegertochter freundlich. Susanne fährt noch einige Male in den Osten, bringt kleine Geschenke und Kleidung für die Kinder von Helmuts älterer Schwester mit. Bei einem ihrer Besuche teilt man ihr mit, ihr Mann sei wegen »Republikflucht« in Abwesenheit zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Urteil und die Vergangenheit scheinen ihn hingegen nicht zu belasten, Helmut kann ausgelassen sein und

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