Mord au chocolat
Uhr. »Jetzt muss ich gehen.«
»Also wirklich, Magda!« Sarahs Gesicht verzerrt sich. »Ist es zu viel verlangt, wenn man Sie bittet, ausnahmsweise
nicht nur an Ihre Schönheitspflege zu denken? Zum Beispiel an das Leben eines jungen Mannes, der so aufopferungsvoll und zukunftsorientiert an die Probleme seiner Mitmenschen denkt, dass er eines Tages zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden könnte?«
Skeptisch runzelt Magda die Stirn. »Ich weiß nicht recht. Da, wo keine Haare sein dürften, fängt was Komisches zu wachsen an.«
Die Tür der Cafeteria schwingt auf, und Gavin kommt herein.
»He!«, schreit sie. »Wir haben bis fünf geschlossen...«
»Schon gut«, unterbricht er sie. »Heather, es ist zu spät. Gerade habe ich mit Jamies Zimmerkameradin telefoniert, und die sagt, das Mädchen ist schon auf dem Heimweg.«
Ich fluche leise, Sarah mustert mich mit schmalen Augen. »Welche Jamie?«
»Jamie Price«, erkläre ich. »Heute Morgen hatte sie einen Termin...«
»... bei Owen«, vollendet sie den Satz. »Daran erinnere ich mich, ich sollte einen neuen Termin für sie vereinbaren. Worum es geht, wollte sie mir nicht verraten. Wieso weiß Gavin Bescheid? Warum spielt es eine Rolle, dass sie nach Hause fährt? Was bedeutet das alles?«
»Nichts.« Ich will ihr keine falschen Hoffnungen machen. »Nur irgendwas, das sie gesagt hat...«
Gavin steht vor unserem Tisch. »Fahren wir ihr nach – mieten wir ein Auto. Wir müssen herausfinden, was da los ist.«
»Moment mal.« Ich lege meine Hände auf die klebrige Tischplatte. »Was? O nein!«
»Dann nehmen wir den Zug«, schlägt er vor. »Aber wie kommen wir vom Bahnhof zu ihrem Haus? Wenn wir ein Auto mieten, geht’s schneller.«
»Nicht zur Rushhour«, wirft Sarah ein. »Es ist fast vier. Warum genau wollt ihr das machen?«
»Weil sie weiß, warum Dr. Veatch erschossen wurde«, erklärt Gavin achselzuckend.
Blitzartig verändert sich Sarahs Pose. Sie strafft die runden Schultern, ihr Rückgrat versteift sich, ein laserscharfer Blick durchbohrt mich. »Warum haben Sie mir das nicht erzählt?«
Schon jetzt sehe ich die Zeichen an der Wand, und darüber bin ich gar nicht glücklich. »Weil wir nicht wissen, wovon Jamie redet. Vermutlich hat es gar nichts zu bedeuten.«
»Aber es könnte was bedeuten«, entgegnet sie atemlos. »Haben Sie Detective Canavan informiert?«
»Nein, Sarah, es ist eben erst passiert, und wir...« Aber sie ist schon aufgesprungen und läuft zur Tür.
Müde schaue ich Gavin an. »Danke.«
Schweigend hebt er die Hände, eine Geste, die besagen soll: Was habe ich denn verbrochen?
»Gehen wir, Gavin. Bis später, Magda. Viel Spaß mit deinen Augenbrauen.« Dann folge ich Sarah, und Gavin bleibt mir auf den Fersen.
»Nicht alle sind von Natur aus so schön wie du, Heather!«, ruft Magda mir wütend nach. »Manche Mädchen brauchen ein bisschen Hilfe!«
In der Halle hat Sarah sich bereits in die dicht gedrängte Schar von College-Verwaltern gedrängt, die Detective Canavan umringen, und verlangt: »... deshalb müssen Sie Jamie Price möglichst schnell aus ihrem Elternhaus
holen. Die Adresse geben wir Ihnen selbstverständlich, wenn es Ihnen bei den Ermittlungen hilft...«
Als Detective Canavan mich entdeckt, wirft er mir über Sarahs Kopf hinweg einen flehenden Blick zu. »Okay«, sagt er zu ihr. »Das tun wir.«
»Sarah«, mahne ich sanft.
»Warten Sie, ich suche die Adresse heraus.« Sarah läuft zum Büro des Fischer-Hall-Leiters. »Da dürfen wir doch wieder reingehen?«
»Uh«, murmelt der Detective. »Ja. Am Tatort ist alles klar.«
»Am Tatort!« Sarah lacht, aber es klingt nicht lustig. »Gleich bin ich wieder da! Gehen Sie nicht weg, Detective!«
Entschlossen stürmt sie weiter, ihr langes Haar weht hinter ihr her. Dr. Jessup, der direkt vor Detective Canavan steht, dreht sich zu mir um. »Was soll das heißen, Heather? Wieso weiß eine Heimbewohnerin etwas über den Mord an Dr. Veatch?«
»Keine Ahnung. Ein anderer Bewohner hat irgendwas gehört. Vielleicht ist es nur ein Gerücht.«
»He!«, ruft Gavin empört, ich ramme meinen Ellbogen zwischen seine Rippen. Da verstummt er sofort.
»Also, ich schicke jemanden zu dieser – Miss Price«, sagt der Detective. »Aber das Beweismaterial gegen Blumenthal ist ziemlich stichhaltig.«
»Darf ich fragen, was das für Beweise sind?«, erkundige ich mich.
»Das dürfen Sie«, antwortet er lächelnd. »Was aber nicht heißt, dass ich Ihnen
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