Mord auf dem Golfplatz
ging er davon aus, dass ich für sie bürgen konnte. Ich erklärte Cinderella, wie der Tote entdeckt worden war, sie hörte interessiert zu und stellte hin und wieder eine intelligente Frage. Dann gingen wir in Richtung Villa. Ich verhielt mich sehr vorsichtig, denn ich wäre ehrlich gesagt lieber niemandem begegnet. Ich führte Cinderella zwischen den Sträuchern hindurch und zu dem kleinen Schuppen auf der Rückseite des Hauses. Mir war eingefallen, dass M. Bex am Vorabend die Tür abgeschlossen und dann den Schlüssel bei Marchaud, dem sergent de ville, deponiert hatte. »Falls Monsieur Giraud ihn brauchen sollte, während wir oben sind.« Ich hielt es für sehr wahrscheinlich, dass der Detektiv von der Sûreté den Schlüssel Marchaud später zurückgegeben hatte. Also bat ich Cinderella, außer Sichtweite hinter einem Busch zu warten, und ging ins Haus. Marchaud war vor der Tür zum Salon postiert. Aus dem Salon waren leise Stimmen zu hören.
»Monsieur wünscht, mit Monsieur Hautet zu sprechen? Er ist im Salon. Er wollte Françoise noch einige Fragen stellen.«
»Nein«, sagte ich rasch. »Ich suche nicht Monsieur Hautet, sondern den Schlüssel für den Schuppen hinter dem Haus, falls das nicht gegen die Vorschriften ist.«
»Natürlich nicht, Monsieur.« Er zog den Schlüssel hervor. »Hier ist er. Monsieur Hautet hat angeordnet, dass wir alle Ihre Anweisungen zu befolgen haben. Ich muss Sie nur bitten, mir den Schlüssel zurückzubringen, wenn Sie draußen fertig sind, das ist alles.«
»Natürlich.«
Die Erkenntnis, dass ich zumindest in Marchauds Augen ebenso bedeutend war wie Poirot, flößte mir wirklich ein Gefühl der Befriedigung ein. Cinderella wartete auf mich. Sie schrie begeistert auf, als sie den Schlüssel in meiner Hand sah.
»Sie haben ihn also?«
»Natürlich«, erwiderte ich lässig. »Aber Sie müssen trotzdem wissen, dass ich hier aufs Gröbste gegen die Vorschriften verstoße.«
»Sie sind einfach ein Schatz, und das werde ich nicht vergessen. Kommen Sie. Wir sind doch vom Haus aus nicht zu sehen, oder?«
»Moment noch.« Sie wollte losstürmen, doch ich hielt sie zurück. »Wenn Sie da wirklich hineingehen wollen, werde ich Sie nicht daran hindern. Aber wollen Sie das? Sie haben das Grab und den Tatort gesehen, und ich habe Ihnen alle Einzelheiten erzählt. Reicht Ihnen das nicht? Es wird schrecklich sein – sehr unangenehm.«
Einen Moment lang musterte sie mich mit einem Ausdruck, den ich nicht deuten konnte. Dann lachte sie.
»Horror finde ich toll«, sagte sie. »Also los.«
Schweigend gingen wir zur Schuppentür. Ich schloss auf, und wir gingen hinein. Ich stieg über den Leichnam hinweg und entfernte vorsichtig das Laken, wie Bex es am Vortag vorgeführt hatte. Cinderella keuchte leise auf, und ich fuhr herum und sah sie an. Aus ihrem Gesicht sprach jetzt Entsetzen, und ihre fröhliche Stimmung war ganz und gar verflogen. Sie hatte nicht auf mich hören wollen, und nun rächte sich diese Missachtung meiner Ratschläge. Ich empfand nicht das geringste Mitleid mit ihr. Jetzt wollte ich ihr nichts mehr ersparen. Behutsam drehte ich den Leichnam um.
»Sehen Sie«, sagte ich. »Die tödliche Wunde sitzt im Rücken.«
Ihre Stimme war fast nicht zu hören.
»Womit ist er erstochen worden?«
Ich nickte zum Glaskrug hinüber.
»Mit diesem Messer.«
Plötzlich schwankte meine Begleiterin und dann sank sie in sich zusammen. Ich war sofort bei ihr, um ihr zu helfen.
»Es geht Ihnen nicht gut. Kommen Sie, fort von hier. Das war zu viel für Sie.«
»Wasser«, murmelte sie. »Schnell. Wasser.«
Ich ließ sie liegen und rannte zum Haus. Zum Glück war keine der Dienstbotinnen zu sehen, sodass ich mir ein Glas Wasser sichern und aus einem Flachmann einige Tropfen Cognac hinzugeben konnte. Wenige Minuten später stand ich wieder im Schuppen. Cinderella lag noch genauso da, wie ich sie zurückgelassen hatte, doch einige Schlucke Wasser mit Cognac belebten sie auf wundersame Weise.
»Bringen Sie mich fort von hier – bitte, schnell, schnell«, rief sie verängstigt.
Ich fasste sie am Arm und führte sie ins Freie, und sie zog die Tür hinter sich zu. Dann holte sie tief Luft.
»Jetzt ist es besser. Ach, war das entsetzlich! Warum um Himmels willen haben Sie mich da hineingehen lassen?«
Das erschien mir so feminin, dass ich einfach lächeln musste. Insgeheim kam ihr Zusammenbruch mir nicht ungelegen. Er bewies, dass sie nicht ganz so abgebrüht war, wie ich angenommen hatte.
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