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Mord auf der Leviathan

Mord auf der Leviathan

Titel: Mord auf der Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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auf den Kapitän. Überlegen Sie, welchen Schaden Sie dem Ruf der Schiffahrt z-zufügen, wenn sich herausstellt, daß es ein Irrtum war. Und ich versichere Ihnen«, Fandorin hob etwas die Stimme, »daß der Kommissar sich irrt.«
    »Quatsch!« rief Coche. »Aber ich habe nichts dagegen. Das kann sogar interessant werden. Sprechen Sie, Monsieur, ich höre mit Vergnügen zu.«
    Wirklich, es war eine Probe. Dieser Junge war nicht dumm, vielleicht hatte er in der Logik der Anklage irgendwelche Löcher entdeckt, die geflickt werden mußten. Wenn während des Prozesses der Staatsanwalt in Bedrängnis geriet, konnte Coche ihm zu Hilfe kommen.
    Fandorin schlug ein Bein übers andere und verschränkte die Finger vor dem Knie.
    »Sie haben eine beeindruckende und beweiskräftige R-rede gehalten. Auf den ersten Blick erscheint Ihre Argumentation unumstößlich. Ihre logische Kette wirkt fast makellos, obwohl die sogenannten indirekten Umstände natürlich nichts w-wert sind. Ja, Herr Aono war am 15. März in Paris. Ja, Herr Aono war zu dem Zeitpunkt, als der P-professor ermordet wurde, nicht im Salon. Für sich betrachtet, bedeuten diese beiden Fakten rein gar nichts, darum können wir sie außer acht lassen.«
    »Einverstanden«, sagte Coche spöttisch. »Kommen wir gleich zu den Indizien.«
    »Bitte sehr. An mehr oder weniger gewichtigen Indizien habe ich fünf gezählt. Monsieur Aono ist Arzt, hat diesen Umstand aber aus irgendwelchen Gründen geheimgehalten. Erstens. Monsieur Aono kann mit einem Schlag einen sehr harten Gegenstand spalten, einen Kürbis, vielleicht auch einen Kopf. Zweitens. Monsieur Aono hat kein ›Leviathan‹-Abzeichen. Drittens. In der Arzttasche des Beschuldigten fehlt das Skalpell, mit dem möglicherweise Professor Sweetchild ermordet wurde. Viertens. Und schließlich fünftens: Eben hat der Beschuldigte vor unseren Augen einen Fluchtversuch unternommen, womit er sich endgültig entlarvte. Habe ich etwas vergessen?«
    »Ja, sechstens«, warf der Kommissar ein. »Er kann keinen dieser Punkte erklären.«
    »Gut, also sechs«, stimmte der Russe leichthin zu.
    Coche lachte auf.
    »Mehr als genug, damit jedes Schwurgericht den Braven auf die Guillotine schickt.«
    Inspektor Jackson schüttelte plötzlich den Kopf und knurrte: »To the gallows.«
    »Nein, an den Galgen«, übersetzte Regnier.
    Ach, der Engländer, diese schwarze Seele, dachte Coche. Ich habe eine Schlange am Busen genährt.
    »Aber erlauben Sie mal«, fuhr er hoch. »Die Ermittlung ist von französischer Seite durchgeführt worden. Also kommt der Bursche auf die Guillotine!«
    »Aber das entscheidende Indiz, das Fehlen des Skalpells, hat die britische Seite entdeckt. Er kommt an den Galgen«, übersetzte der Leutnant.
    »Das Hauptverbrechen wurde in Paris verübt! Guillotine!«
    »Aber Lord Littleby war britischer Untertan. Professor Sweetchild auch. Galgen.«
    Der Japaner schien diese Diskussion nicht zu hören, die in einen internationalen Konflikt auszuarten drohte. Seine Augen waren noch immer geschlossen, das Gesicht war ohne jeden Ausdruck. Diese Gelben sind eben doch anders als wir, dachte Coche. Wozu der ganze Aufwand: Staatsanwalt, Advokat, Geschworene, Richter im Talar. Na schön, alles richtig, Demokratie ist Demokratie, aber im Volksmund heißt das »Perlen vor die Säue werfen«.
    Nach einer Pause sagte Fandorin: »Sind die Streitereien beendet? Kann ich f-fortfahren?«
    »Los«, sagte Coche finster, im Kopf die bevorstehenden Schlachten mit den Briten.
    »Wir wollen auch die gespaltenen Kürbisse nicht d-diskutieren. Sie beweisen gar nichts.«
    Die ganze Komödie hing dem Kommissar allmählich zum Halse heraus.
    »Gut. Keine Kleinkrämerei.«
    »A-ausgezeichnet. Bleiben nur fünf Punkte: verheimlicht, daß er Arzt ist; das fehlende Abzeichen; das fehlende Skalpell; der Fluchtversuch; er gibt keine Erklärungen.«
    »Aber jeder Punkt reicht aus, ihn aufs … Schafott zu schicken.«
    »Die Sache ist die, Kommissar, daß Sie europäisch denken. Herr Aono hat eine andere L-logik, eine japanische, und Sie haben sich nicht die Mühe gemacht, in sie einzud-dringen. Ich hingegen hatte mehr als einmal die Ehre, mich mit dem Mann zu unterhalten, und ich habe von seiner seelischen Struktur eine bessere Vorstellung als Sie. Monsieur Aono ist nicht einfach Japaner, er ist ein Samurai, noch dazu aus einem a-alten und einflußreichen Geschlecht. Das ist in diesem Falle wichtig. Über fünf Jahrhunderte waren die Männer des Geschlechts

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